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Infestation: Der Prügelknabe der Gamingwelt?

Von Christian Liebert - Special vom 27.02.2013 13:14 Uhr

Es ist wahrlich keine Erfolgsgeschichte, auf die das Zombie-MMO The War Z zurückblicken kann. Knapp ein halbes Jahr nach dem Start der ersten Testversion hat der DayZ-Klon von Hammerpoint Interactive fast ausschließlich negative Kritik vonseiten der Presse und seiner Spieler geerntet. Der harsche Umgang mit der Community, das Steam-Desaster, die seltsame Bann-Politik und die schlicht fahrlässig schlechte PR haben dem eigentlich sehr interessanten Spiel einen derart schlechten Ruf beschert, dass sich das Team rund um Producer Sergey Titov wohl nicht mehr davon lösen können wird. The War Z genießt in der Gaming-Welt den Rang eines Prügelknaben, auf den jeder draufhauen darf und man immer den richtigen trifft. Tonnenweise Kritik, durchweg negativer Natur, wird wöchentlich gedruckt oder in diversen Internet-Magazinen veröffentlicht. Man kommt nicht umhin, sich zu fragen: Ist The War Z wirklich so schlecht? Eigentlich nicht und dann wieder doch. Es hat alles seine Gründe. Erfahrt nun aus unserer Sicht, warum The War Z eigentlich hätte ein Hit werden können, aber am Ende eher reif für den Schlachter ist.

Am Anfang war das Ende

The War Z wurde bereits unter einem sehr ungünstigen Stern geboren. Ähnelte das angekündigte Spielkonzept doch sehr dem Vorbild der Arma 2-Modifikation DayZ, welche kurz zuvor dank positiver Erwähnungen in der Presse einen hohen Bekanntheitsgrad erlangte und die Verkaufszahlen des eher mäßig beliebten Grundspiels tüchtig in die Höhe trieb. Als DayZ in aller Munde war, kündigte das kleine Entwickler-Studio Hammerpoint Interactive ein MMO an, welches alle Grundelemente der Zombie-Mod mit im Gepäck hatte und um eigene Ideen erweitern wollte: The War Z. Nun muss man mit dazu sagen, dass Ideenklau in der Gaming-Industrie praktisch ein Kavaliersdelikt ist. Da braucht man sich nur bei den aktuellen Top-Titeln genauer umsehen und wird feststellen, wie oft das gleiche Konzept in verschiedenen Spielen immer wieder aufs Neue durchgekaut wird. Das Problem von The War Z ist aber, dass dessen geistiger Vater kein Prestige-Titel aus einem der überfütterten Edelstudios war, sondern direkt aus den Händen der Spieler kam. Die Mod DayZ wird von Dean 'Rocket' Hall entwickelt, welcher zwar mittlerweile bei Bohemia Interactive arbeitet, aber zu Beginn des Projekts noch ein einfacher User war. Dieses Attentat an der Community verschaffte The War Z von Anfang an eine Horde hasswütiger Kritiker, die sich von diesem Spiel betrogen fühlten.

Die goldene Zeit

Direkt nach Bekanntwerden von The War Z erlebte das Zombie-MMO einen waren Boom, was wir vor allem bei uns in der Redaktion zu spüren bekamen. Jedes neue Bild, jede noch so geringe Information – alles wurde verschlungen, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Die offizielle Facebook-Seite wurde praktisch überrannt und schaffte schon sehr bald den Sprung auf über 100.000 Likes. Solange es noch keine spielbare Version gab, stand das Onlinespiel bei der Community hoch im Kurs. Damals wusste auch noch keiner, dass viele Versprechungen leer, die Screenshots gefälscht und das Spiel mitnichten wirklich entwickelt war – jeder wollte The War Z spielen. Ein Blick auf die Feature-Liste versprach eine lebendige Welt, mit wesentlich mehr Zusammenspielmöglichkeiten als DayZ es zu dieser Zeit bieten konnte. Dies war wohl auch die Zeit, in der Dean Hall zum ersten Mal in seinen Grundfesten erschüttert wurde, als er mit ansah, wie dieses Ripoff, basierend auf seiner Idee, an ihm vorbeiraste. Erst als Hammerpoint Interactive in Zusammenarbeit mit ausgewählten Magazinen Gameplay-Material zeigte, wurden die Ersten stutzig – das war nicht die Grafik, die einem durch die Screenshots suggeriert wurde. Hier hatten die Entwickler wohl ein wenig getrickst – leider blieb es nicht bei einem Einzelfall.

Der Höllentrip beginnt

The War Z war exakt so lange erfolgreich, bis die Community zum ersten Mal Handanlegen durfte. Dass Hammerpoint Interactive bereits drei Monate nach Ankündigung des Spiels in die Alpha, deren Zutritt man sich via Vorbestellung erkaufen musste, startete, war natürlich sehr mutig. Wie sich nämlich herausstellte, war das Spiel so gut wie gar nicht entwickelt. Grundlage bildete die Engine eines älteren Onlinegames des Studios: War Inc. Es schien fast so, als habe man einfach eine große Karte genommen und mit ein paar Items bestückt. Die Zombie-KI funktionierte zu der Zeit überhaupt nicht. Wenn die schnöden Untoten nicht gerade regungslos in der Gegend herumstanden, waren sie unsichtbar und boxten einen ungehindert ins Aus. Hatte man sich von seinen Credits einen Baseballschläger oder einen Hammer gekauft, musste man gefühlte hundert Mal auf einen Zombie einschlagen, bevor dieser endlich tot zu Boden fiel. Zum Glück reichte es aus, wild um ihn herumzulaufen, damit man selbst keinen Schaden nahm. Wer keine Punkte hatte oder ausgeben wollte, konnte denselben Effekt auch mit der Taschenlampe erzielen. Dass dies ein unwürdiger Zustand für ein Spiel war, müssen wir an dieser Stelle wohl nicht weiter erwähnen.

Auch wenn man noch irgendwie an The War Z glauben wollte, dämmerte es einem so langsam, dass Hammerpoint Interactive noch nicht wirklich weit mit der Entwicklung des Spiels war und man die Alpha, inklusive der massiven Vorbestellungen, für eine eigene Variante des Crowdfundings nutzte. Zwar wurden die krudesten Bugs schnell mit regelmäßigen Patches behoben und die Spielwelt langsam mit Inhalten gefüllt, doch trübte dies nicht darüber hinweg, dass The War Z nicht mal einen Bruchteil der angekündigten Features bot und die Spieler die Entwicklung aus eigener Tasche finanzierten. An diesem Punkt verlor Hammerpoint Interactive endgültig seine Glaubwürdigkeit. Mit einer besseren PR und vor allem mit einer offeneren Kommunikation hätte dieser Effekt verhindert werden können. Die Community aber einfach für ein dermaßen unterentwickeltes Spiel bezahlen zu lassen, grenzt schon fast an kindlicher Naivität.

Das Steam-Desaster und weitere Missgeschicke

Man mag es kaum glauben, aber trotz dieser Tatsachen sah es weiterhin gut für The War Z aus. Immerhin konnte man sich damit trösten, dass die Entwicklung bei DayZ genauso schleppend voranging und die Zombie-Mod für Arma 2 ebenfalls sehr fehlerbelastet war. Man hatte also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Zeit für Hammerpoint Interactive ins nächste Fettnäpfchen zu hüpfen! Sucht man im Internet nach Sergey Titov, der bei The War Z immerhin den Posten des Executive Producers (zu Deutsch: Ausführender Produzent) besetzt, stößt man auf sein Profil bei Metacritics (Zusammenfassung aller offiziellen Spielwertungen) und stellt fest, dass er sich damit rühmen kann, für Big Rigs: Over the Road Racing verantwortlich zu sein, welches sage und schreibe schlappe acht Punkte zählt und damit zu den schlechtesten Bewertungen aller Zeiten gehört. Dass es diesem Mann am nötigen Feingefühl fehlt, stellte er bei einigen Aussagen, vor allem bezüglich dem Cheater-Problem, gerne zur Schau. Diese beleidigte er nämlich unverhüllt, was, gepaart mit dem oft kritisierten Bannverhalten (man schwang die Keule wohl zu hart und oft unbegründet) der Entwickler, natürlich kein schönes Bild abgab. Hinzukam ein ehemaliger Foren-Moderator, der gegenüber der Presse eine hollywoodreife Enthüllungsgeschichte über das Spiel preisgab und auch auf das Verhalten der Angestellten gegenüber der Community, welches äußerst herablassend war, einging.

Den Höhepunkt der Patzer- und Pannenserie bildete die Veröffentlichung von The War Z auf Valves Plattform Stream, welche von Valve keine 24 Stunden später wieder zurückgezogen wurde, da mit Features, die so noch nicht implementiert waren, für das Spiel geworben wurde. Dies sorgte für heftigste Kritik und Betrugsvorwürfe, die Valve praktisch zum Zurückrudern zwangen, um die eigenen Kunden zu schützen. In einem umfassenden Statement entschuldigte sich Sergey Titov danach bei der ganzen Community für die Missgeschicke der letzten Monate und begründete dies damit, dass man einen enormen Zuspruch auf das Spiel erhielt und nach über 200.000 verkauften Einheiten schlichtweg den Boden unter den Füßen verloren hätte. Seit dem 26. Februar 2013 ist The War Z wieder über Steam erhältlich. Der ehemalige Mitarbeiter, der sich öffentlich über die Methoden von Hammerpoint Interactive echauffierte, wurde im Übrigen auch wieder eingestellt.

Der Prügelknabe der Gamingwelt

Was als interessantes Projekt startete, entwickelte sich binnen Monaten zu einem Sog aus Vorwürfen, Unzufriedenheit und blankem Hass. Hammerpoint Interactive erfährt heftigste Kritik von allen Seiten – sogar vom Kollegen Dean 'Rocket' Hall, der Angst hat, mit dem Skandal-Spiel in Verbindung gebracht zu werden. Dabei muss man mit dazu sagen, dass es sich mittlerweile bei The War Z eigentlich um ein gutes Spiel handelt, welches aber von Schmähern und Presse gleichermaßen zerrissen wird. Teilweise etwas unbegründet und mit dem guten Gewissen, dass man sich damit die Zuneigung der Masse sichert. The War Z ist der Prügelknabe der Gaming-Industrie, auf den jeder mal so richtig draufhauen darf und bei dem es auch niemanden interessiert. Die wirklich schlechte Pressearbeit, vor allem außerhalb der USA, bescherte diesem Spiel einen mehr als nur negativen Ruf und spuckte dem Erfolg kräftig in die Suppe. Es ist fraglich, ob sich Hammerpoint Interactive von den vielen Ohrfeigen wieder erholen wird. Ein Blick auf Metacritics verrät, dass The War Z mit müden 23 Punkten praktisch als mieses Spiel abgestempelt ist. Ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man ohne die dafür nötigen Kompetenzen versucht mit einem simplen Plagiat so richtig abzukassieren und sich dabei vom schnellen Erfolg blenden lässt. Dabei hätte das Spiel wahrlich ein Hit werden können, wenn man den Ochsen am richtigen Ende angepackt hätte.

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