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World of Warcraft: Die Vergänglichkeit eines Urgesteins

Von Katharina Heitmann - Special vom 15.04.2016 09:24 Uhr

World of Warcraft ist ein Evergreen unter den MMORPGs und feiert dieses Jahr seinen zwölften Geburtstag. Seit Jahren ist ein großer Teil der Community allerdings unzufrieden mit der Entwicklung des Spiels und fordert offizielle Server zu alten Erweiterungen – oder die Akzeptanz von privaten und nicht auf Profit ausgelegten Servern. Durch die Schließung des Vanilla Servers Nostalrius kam frischer Wind in die Diskussion. Wieso aber wollen so viele Spieler das alte World of Warcraft zurück? Und was wären die Vor- und Nachteile, auch aus wirtschaftlicher Sicht?

Die unendliche Geschichte von World of Warcraft

„Vier Jahre ist es nun her, dass sich die sterblichen Völker zusammenschlossen, um gemeinsam dem Ansturm der Brennenden Legion zu trotzen.“

Die ersten Worte des Trailers zu World of Warcraft dürften bei vielen immer noch eine Gänsehaut hervorrufen – und das nach fast zwölf Jahren. Als World of Warcraft zum Jahresende von 2004 veröffentlicht wurde, war das MMORPG eine Revolution auf dem Videospielemarkt und hält sich seitdem an der Spitze der Pay-to-play MMOs. Die Popularität stieg so schnell an, dass WoW jegliche Konkurrenz überholte und während der zweiten Erweiterung, Wrath of the Lich King, ganze zwölf Millionen Abonnenten halten konnte. Seit dem Release von World of Warcraft: Cataclysm im Jahr 2010 gingen diese jedoch kontinuierlich zurück, momentan verbucht WoW etwa 5,5 Millionen Abonnements. Diese Zahlen werden auch die Letzten sein, die Blizzard veröffentlichen wird.

In die Schlagzeilen geraten war Blizzard zuletzt vor allen Dingen durch die Schließung des privaten Vanilla Servers Nostalrius. Wie von uns berichtet, waren dort zuletzt 150.000 Spieler aktiv, viele von ihnen machten ihrem Unmut und ihrer Niedergeschlagenheit Luft und veröffentlichten Abschiedsvideos auf YouTube. Die Petition, die das Team des privaten Servers an Mike Morhaime richtete, wurde bisher über 102.000 Mal unterzeichnet. Foren und die Kommentarspalten der Artikel über dieses Thema quellen über vor unterstützender Kommentare.

Weshalb aber gibt es in World of Warcraft so einen großen Nostalgiebedarf? Wieso verlangt die Community ausgerechnet hier den Weg zurück?
Mehrfach wurden Vertreter von Blizzard auf Veranstaltungen gebeten, sich für offizielle Server alter Erweiterungen auszusprechen. Erfolgreich war diese Bitte leider nie. Häufig zeigte sich, wie auch auf der BlizzCon 2013, dass man die Community in diesem Punkt für nicht weitsichtig genug erachtete. Der Executive Producer J. Allen Brack sagte damals, dass keiner die alte Version von WoW zurück wollen würde. Wir würden es denken, aber wir würden es nicht wirklich wollen. Wegen der Bugs, der Schwierigkeit, einfach wegen des fehlenden Komforts. Vielleicht ist genau das aber der Punkt, an dem Blizzard einen großen Teil seiner Community seit Jahren missversteht. Denn das heutige World of Warcraft ist vielen zu glatt geworden, zu einfach. Ein paar Kanten wären angenehm.

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Offizielle Vanilla Server als Chance oder Problem?

Blizzard ist ein Unternehmen und damit natürlich gewinnorientiert. Dementsprechend stellen sich bei den Forderungen um offizielle Vanilla Server die Fragen nach Aufwand und Kosten-Nutzen-Abdeckung. Führt man sich den Aufwand vor Augen, der hier betrieben werden müsste, so wird schnell klar, dass andere Server keine Option sein werden, solange man noch genügend Spieler verzeichnen kann.
Mit offiziellen Servern für jede Erweiterung würde sich die Spielergemeinschaft in mehrere Teile splitten. Dazu kommt, dass sich Nutzer von privaten Servern darüber bewusst sind, dass sie es mit der Arbeit von Privatpersonen zu tun haben und nicht von einem Unternehmen. Jeder der offiziellen Server zu alten Erweiterungen bräuchte also Mitarbeiter, Investitionen und Betreuung, um den Standard zu halten, den die Community gewohnt ist. Kosteneffizienz sieht anders aus.
Für Blizzard stellt sich außerdem die Frage nach der Langzeitmotivation auf alten Servern, oder ob man die Spieler vielleicht nur kurzfristig halten könnte, bevor sie sich wieder dem aktuellen World of Warcraft zuwenden würden. Weil es sie eben in die Komfortzone zurückzieht.

Was außerdem viele zu vergessen scheinen: Die Anfänge von World of Warcraft sind mittlerweile fast zwölf Jahre her und auch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände haben sich geändert. Es existiert immer mehr Zeitdruck, beruflich und privat, der Stress nimmt zu. Vielen würde schlicht und einfach die Freizeit fehlen für ein Spiel wie Vanilla WoW. Denn hat man nach einem anstrengenden Arbeitstag wirklich noch Lust auf das Farmen von Kräutern für die Fläschchen fürs Raiden? Fast alles war enorm aufwendig, allein um von Stufe 1 auf 60 zu kommen brauchte man durchschnittlich etwa zehn Tage Spielzeit. Gold war Mangelware, alles wurde mühsam erfarmt. Es gab keine Tools für eine automatische Gruppensuche und man wurde auch nicht zu den Instanzen oder Raids geportet. Auf ein Schlachtfeld hat man gut und gerne mal eine Stunde warten müssen und eine so ausgeglichene Klassenwahl wie heute gab es auch nicht. Generell waren Paladine eigentlich nur zum Buffen da – außer Leeroy Jenkins, der war für den Kampfrausch zuständig. Alle Klassen hatten zudem eine enorme Auswahl an Fähigkeiten, die sie individuell und unverkennbar machten. Auch mit der kommenden Erweiterung World of Warcraft: Legion sieht es allerdings leider so aus, als würde Blizzard weiter hiervon abrücken.

Aber: Ohne die Änderungen, die World of Warcraft durchgemacht hat, wäre es jetzt wahrscheinlich nicht mehr existent.

Eine Alternative wäre die Akzeptanz von Fan-Projekten, wie es bei Everquest der Fall ist. Bei dem Online-Rollenspiel gibt es seit einiger Zeit das Project 1999, das den Spielern die Ursprungsversion zurückbringt. Würde Blizzard Server freigeben, auf denen jeweils eine Erweiterung laufen würde, so wäre dies einerseits eine Berücksichtigung der Wünsche der Community und andererseits ein Schulterschluss mit den Teams der Privatserver, der dem Unternehmen einiges an Anerkennung bringen könnte.

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Die Vergänglichkeit von digitalen Medien

Mit literarischen Werken gehen wir sorgsam um: Sie werden gesammelt, sortiert und archiviert. Quellen werden wieder nutzbar und verfügbar gemacht. Auch wenn ein Buch alt und vergangen ist, kann ich es mir immer noch in seinem Ursprungszustand ansehen. Wie aber umgehen mit dem neueren Medium von digitalem Gut?

Wir müssen hier zwangsweise von einer anderen Art der Verfügbarkeit und Vergänglichkeit sprechen, denn Videospiele wie World of Warcraft werden von ihren Herstellern über einen gewissen Zeitraum hinweg ausgebaut. Die alten Versionen der Charaktere, der Grafik, der Mechanik und der Welt existieren nicht mehr. Auch die Firmenideologie und wirtschaftlichen Interessen spielen hier eine Rolle. Das Ursprüngliche geht verloren und ist somit nicht mehr verfügbar. Jeder neue Spieler ist nicht mehr in der Lage das Spiel zu spielen, wie es eigentlich gewesen ist. Sprächen wir hier von einer historischen Quelle, so würden wir ihr Geschichtsklitterung unterstellen.

Und genau diese Form von Vergänglichkeit stößt gerade bei Fans von World of Warcraft auf wenig Gegenliebe. Vielleicht wird World of Warcraft gerade deshalb von vielen als durch Lebensabschnitte begleitende visuelle Geschichte gesehen, weil es durch seine Lore häufig auch im Spiel als ebendiese wirkt.
Vermisst werden vor allem interaktive Kleinigkeiten, die den Erfolg des Spiels ausgemacht haben und nach und nach verloren gegangen sind: Der total ausufernde Brachland Chat, offene Kämpfe in der Gurubashi Arena oder an Tarrens Mühle, Questreihen für Klassen, die Panik beim Reiten durch feindliches Gebiet, die lustigen Details, die Blizzard mit viel Liebe platziert hat.

Vanilla Warcraft ist ein Ideal, das zu erreichen versucht wird, seit es nicht mehr real existiert. Beschäftigt man sich mit dem, was der Community heute fehlt, ist es häufig die Faszination, das Unbekannte und das große Staunen, wenn man Dinge erkundet hat, die man so vorher aus keinem anderen Spiel kannte. Auch das familiäre Gefühl, das durch die große Interaktivität aufkam, während man sich Gruppen suchte, in einer Hauptstadt hockte oder beim Farmen für den nächsten Raid auf andere Leidensgenossen stieß, fehlt. Durch die Entwicklungen, die World of Warcraft hinter sich hat, sind viele dieser Aktivitäten weggefallen. Wir können uns überall hinteleportieren, können fliegen anstatt uns den Weg freizukämpfen, Gruppen sucht uns ein Tool und wenn wir in einer Gruppe sind, dann bindet uns nichts aneinander, außer das instanzierte Gebiet. Noch nicht einmal mehr über die Beute muss man sich unterhalten, denn jeder lootet für sich allein. Auch das Phasing lässt die Ingame-Welt weniger gemeinschaftlich und dafür steriler wirken.

Der Werdegang von WoW ist vergleichbar mit der Expansion einer kleinen Firma: kennt man zu Beginn noch jeden Mitarbeiter mit Vornamen, endet das Wachstum schnell in einer gesichtslosen Masse, zu der man keinen persönlichen Draht mehr hat.
World of Warcraft war ein kleiner eigener Mikrokosmos, ein Event, eine eingeschworene Gemeinschaft. Und dass es das nicht mehr ist, ist wahrscheinlich der Wermutstropfen, der so viele Spieler verbittert zurücklässt. Aber klar ist: Die Unwissenheit, die Überraschung und das Noobsein, das kann einem auch kein Vanilla Server zurückbringen.

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