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Games: Das Zombie-Virus verseucht die Spielewelt

Von Christian Liebert - Kolumne vom 05.02.2015 14:43 Uhr

Sie heißen DayZ, Infestation, H1Z1, 7 Days to Die oder Miscreated und sie kennen nur ein Ziel: Überleben in der Zombiewelt. Nachdem die als Modifikation für Arma 2 entstandene Spielidee für einen explosionsartigen Verkaufsschub der eigentlich durchschnittlich erfolgreichen Militärsimulation von Bohemia sorgte, versuchen sich immer mehr Entwickler an diesem Prinzip. Das Problem ist nur: So wirklich weiß niemand, an welcher Seite er den Bullen an den Hörnern packen soll. Ein sehr gutes Konzept verkommt zur Massenware und zeigt immer gleiche Schwächen. Ist das Maß langsam voll?

Aller Anfang war Dean Hall

Zugegeben, ich habe keine besonders gute Meinung von Dean Hall. Der Neuseeländer hat exakt eine sehr positive Sache getan, die man ihm wirklich anrechnen muss: Er hat DayZ erfunden. Seine Vision einer brachialen Zombie-Simulation, in der man ohne Hilfe in einer tödlichen Welt überleben muss, sorgte 2012 für große Schlagzeilen. Zwar sind Zombies schon seit den Kindertagen der Videospiele ein fester Bestandteil im Repertoire für gerne gesehene Antagonisten, doch kaum ein Spiel machte die Begegnung mit den Untoten so extrem wie die DayZ-Mod für Arma 2. Während man in Resident Evil, Dead Rising oder Left 4 Dead mit geballter Waffenpower hordenweise lebende Tote umnietet, geht man Ärger in DayZ besser aus dem Weg, denn der eigene Tod bringt den Verlust seines Charakters samt all seiner Ausrüstung mit sich.

Aber nicht nur die Untoten sind ein Problem. Sogar andere Spieler können einem das virtuelle Leben nehmen, nur um sich an der eigenen Ausrüstung zu bereichern. Das war 2012 verdammt spannend und eben auch ziemlich cool. Allerdings hat sich dieses Genre von der Grundidee bis heute kaum weiterentwickelt. Es stellt sich auch die Frage: Taugt Dean Halls Konzept für ein fertiges Spiel?

Das Zombie-Survival kommt in Mode

Es war wahrscheinlich einer dieser Typen aus den Marketingbüros, der während eines Meetings zur Geschäftsleitung sagte: „Ich kann das verkaufen“. Nachdem die Resonanz der Presse und der Spieler zu DayZ phänomenal positiv war, tauchten nämlich plötzlich erste Mitesser an dieser Idee auf. Neben Bohemia, die sich zusammen mit Dean Hall als Chefentwickler das Hoheitsrecht herausnahmen, DayZ von einer Modifikation zum eigenständigen Spiel zu machen, erschien The War Z auf der Bildfläche. Dahinter verbarg sich das kleine Studio Hammerpoint Interactive, das zufällig genau denselben Gedanken im Kopf hatte, nämlich eine Zombie-Überlebenssimulation zu erschaffen, die grundlegend zwar sehr an DayZ erinnert, aber eben mit einigen eigenen Features punkten wollte.

Nach großen Versprechungen und verheißungsvollen Screenshots startete The War Z katastrophal in die Alpha, deren Zugang man sich erkaufen musste (eine Art Vorstufe des Early Access), und ruinierte sich mit einer Reihe von PR-Fehlern und äußerst negativen Schlagzeilen selbst Ruf und Playerbase. Am Ende musste man dem Kinostreifen „World War Z“ sogar seinen Namen abtreten und heißt heute Infestation: Survivor Stories. Der Versuch scheiterte also nach Strich und Faden.

War es nun an der Zeit, dass Altvater Dean Hall und sein DayZ der Welt zeigten, wie richtiges Zombie-Survival funktioniert? Mit knapp einem Jahr Verspätung erschien die DayZ-Standalone Ende 2013 im Early Access auf Steam und zeigte sich, trotz verlängerter Vorentwicklung, äußerst schlecht. Es haperte an den grundlegendsten Features und Spielspaß kam nur bei den ganz harten Fans auf.

Dean Hall, der schon im Vorfeld eher als Jammerlappen aufgefallen ist, zwischenzeitlich eine Mount-Everest-Besteigung unternahm (um den Kopf freizubekommen) und sich aufgrund der vielen (oft negativen) Community-Kommentare über Blutdruckspitzen beklagte, verlies das Projekt noch während der Entwicklung, um sich seinem eigenen Studio zu widmen. Mittlerweile wurde bekannt, dass DayZ erst 2016 in seiner fertigen Form veröffentlicht wird. Bis dahin haben die Fans schon über zwei Jahre Geld dafür bezahlt, Alphatester zu sein.

Unfertige Spiele und Early Access

Trotz der eher negativen Worte über DayZ und Infestation lockt das sehr interessante Spielprinzip weiterhin viele Zocker an und so ist der Markt überschwemmt von Titeln, bei denen man ums nackte Überleben kämpfen muss. Zwar geht es dabei nicht immer nur gegen Zombies ins Gefecht, aber das Gemisch aus Permadeath, Item-Grinding und PvP ist aktuell erfolgreicher denn je. Da scheint auch der Umstand nicht für einen Abriss zu sorgen, dass der überwiegende Teil dieser Titel noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium ist. Derzeit sind rund 204 Titel bei Steam unter Early Access gelistet.

Early Access, das ist dieses Geschäftsmodell, bei dem man ein Spiel kauft, wohl wissend, dass es sich noch in der Entwicklung befindet und noch nicht seinen kompletten Umfang aufweist.

Ein großer Teil dieser Titel baut dabei auf dem Konzept von DayZ auf. Man befindet sich in einer offenen Welt, muss sich orientierungslos zurechtfinden, Hilfsmittel erstellen und gegen allerhand Gefahren überleben. Das klingt im ersten Moment total spannend, entpuppt sich aber letztlich als Zerreißprobe für die Nerven. Bugs, fehlende Features, Performance-Probleme, KI-Schwächen und noch viele weitere Punkte einer schier endlosen Liste drücken sich bei vielen dieser Games die Klinke in die Hand.

Gut, sicherlich könnte man nun die übliche „Das ist eben eine Alpha“ oder „Man wusste ja vorher, wofür man bezahlt“ Debatten führen, dennoch finde ich es mittlerweile unerträglich, dass noch keiner dieser ambitionierten Titel einen Status erreicht hat, bei dem man von einem annährend fertigen Spiel sprechen könnte. Die Frage, die sich also stellt, ist: Warum schafft es niemand, die Idee von DayZ perfekt umzusetzen? Nicht mal DayZ selbst hat das bisher hinbekommen. Immerhin ist das Konzept nun schon einige Tage alt und es ist genug Geld geflossen, um die Entwicklung dieser Spiele zu finanzieren.

//Randnotiz: Infestation bezeichnet sich zwar als „Released“, hapert aber immer noch mit Bugs aus der Alpha und mangelhaftem Gameplay.

Liegt es am Mehrspielerpart?

Dabei stimmt es nicht ganz, dass es keine fertigen Spiele aus diesem Genre gebe. Aktuell fallen mir, ohne Recherche, spontan zwei Spiele ein, bei denen man exakt dieses Erlebnis erhält und die obendrein auch schon lange auf dem Markt sind. Zum einen der Wii-U-Startertitel ZombiU, der den Spieler in das von Untoten überrannte London schickt und exklusiv für Nintendos Konsole erschienen ist. Zum anderen der Xbox-Erfolg State of Decay, der so gut wie alle nötigen Features an Bord hat, um ein tolles Zombie-Survival zu sein. Allerdings beinhalten beide Spiele keinen echten Multiplayer. Bei ZombiU kann man zwar ein paar Party-Spielchen mit seinen Freunden machen, aber letztlich fehlt die Angst vor Playerkillern und Loot-Dieben.

Ist die Optimierung und die Feinheit einer persistenten Onlinewelt, in der viele Individuen ihr Glück versuchen oder sich gegenseitig das Überleben zur Hölle machen, der Grund, warum so viele eigentlich tolle Spiele auf der Stelle treten? Es kommt einem fast so vor, wobei gerade Bohemia, als Simulations- und Onlineprofi, hier einiges an Erfahrung haben sollte. Entwicklungserfahrung, die DayZ bisher wohl nicht zugutekam.

Auch H1Z1, der aktuelle Versuch von Sony Online Entertainment (die sich kürzlich von Sony getrennt und in Daybreak Game umbenannt haben), zeigt sich als marode sowie hinter den Erwartungen zurückbleibend – und das, obwohl der Entwickler schon seit über einer Dekade etabliert und für Titel wie EverQuest oder PlanetSide verantwortlich ist (beides Onlinespiele mit persistenten Welten und vielen tausend Spielern).

Das Ende des Klagelieds

Die Zombies sind immer noch an jeder Ecke zu finden, doch ist das wirkliche Übel eher, dass so gut wie kein Spiel, trotz Fan-Finanzierung und fortgeschrittener Entwicklungszeit, den Status „Fertig“ erreicht hat. Dieses Genre ist wie eine Seuche, welche die ganze Gamingwelt befällt. Sogar angesehene Entwickler wie Sony Online springen auf diesen Zug auf und zeigen, dass auch sie nicht mehr drauf haben als andere Indiestudios, die sich am „Zombie-Survival“ probierten.

Werden wir es jemals erleben, dass Titel wie DayZ das Licht am Ende des Entwicklunstunnels erblicken? Und noch wichtiger: Taugt dieses Konzept überhaupt für die Masse, um auch in ein paar Jahren noch lang anhaltenden Spaß zu bieten? Fakt ist, dass mich dieses Genre mittlerweile ziemlich anödet und ich mir einfach wünsche, dass mal ein Schritt nach vorne gemacht wird.

Am erschreckendsten ist jedoch die belehrlose Naivität vieler Spieler, von einer Baustelle in die nächste zu springen und jedes Mal ein paar Euro für den Frühzugang abzudrücken. Hier scheint das Virus wohl seine größte Wirkung zu zeigen. Wie Fliegen zum Licht hoffen die Fans einfach jedes Mal, dass mit dem nächstens Kandidaten alles besser wird.

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