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The Lion’s Song: Derivation: In der Not wird aus einer Frau schon mal ein Mann

The Lion's Song: Episode 3 – Derivation ist da und lässt uns in die Haut der jungen Mathematikerin Emma schlüpfen, die Anfang des 20. Jahrhunderts einfach keine Chance in der von Männern dominierten Wissenschaftswelt erhält. Anzug, Zylinder und Brille verschaffen ihr schließlich die Chance ihres Lebens – als Emil. In unserem Test sagen wir euch, was euch erwartet und wie uns das narrative Adventure gefallen hat.

Vor ein paar Tagen veröffentlichte Mi'pu'mi Games nun ganz überraschend die dritte Episode des narrativen Adventures The Lion's Song. Derivation behält dabei die Tradition seiner Vorgänger bei und lässt uns am Leben eines brillanten Kopfes des 20. Jahrhunderts teilhaben. Bevor wir uns aber in den vorletzten Teil der Reihe stürzen, lasst uns noch einen kurzen Blick zurückwerfen, schließlich gehören alle Episoden zusammen und unsere Entscheidungen haben Einfluss auf andere Episoden, sind doch die Schicksale unserer drei Protagonisten eng miteinander verwoben.

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Ein Blick in die Vergangenheit

Aber der Reihe nach: In der ersten, kostenlos erhältlichen Episode namens Silence spielen wir die junge und ehrgeizige Musikstudentin Wilma, die kurz vor einem entscheidenden Konzert unter Druck gerät und nun in einer einsamen Berghütte versucht, ihre Komposition zu beenden. Je nachdem welche Entscheidungen wir treffen, ob wir uns beispielsweise isolieren oder gar unsere menschlichen Bedürfnisse vollkommen ignorieren, aber auch die Wahl der musischen Inspirationsquellen, haben Einfluss auf das Stück, das wir zum Leben erwecken.

In der zweiten Episode, die auf den Namen Anthology hört, spielen wir den Maler Franz, der eine ungewöhnliche Gabe besitzt und die Facetten eines Menschen erkennen und auf die Leinwand bringen kann. Nach Perfektion strebend und an Selbstzweifeln leidend, kann er sich für verschiedene Modelle entscheiden, immer auf der Suche nach dem scheinbar Unerreichbaren, was seinen Werken noch fehlt. Bereits in dieser Episode gab es einige Verbindungen zu Silence, aber auch erste Hinweise auf Derivation, können wir doch einen brillanten wissenschaftlichen Menschen als Modell wählen, den ein mysteriöses Geheimnis zu umgeben scheint.

Als Frau gegen Windmühlen kämpfen

In Derivation schlüpfen wir nun in die Haut der jungen Mathematikerin Emma Recniczek. In ihrer aktuellen Arbeit, der Theorie der Veränderung, nicht vorankommend, wünscht sie sich Unterstützung eines Wissenschaftszirkels, der sich Radius nennt. Dumm nur, dass die Geschichte Anfang des 20. Jahrhunderts spielt und wir so als weibliche Wissenschaftlerin nicht ernst genommen werden, ja selbst am Oberkellner nur vorbeikommen, als wir etwas von weiblichen Bedürfnissen stammeln und dieser sich unangenehm berührt abwendet. Statt auf die Toilette treibt es uns natürlich in den Raum, in dem der Radius tagt. Wir haben mit dem Vorsitzenden schließlich schon korrespondiert, sicher wird er uns nicht aufgrund unseres Geschlechts diskriminieren!

Aber Emma soll auch in diesem elitären Kreis kein Glück haben, war die Rolle der Frau doch damals noch ganz anders definiert und so trifft sie bestenfalls auf Verwunderung, in der Regel sogar auf Spott und offene Ablehnung, wann immer sie versucht, ihre Ideen zu teilen. „Mathematik ist zu komplex und gänzlich ungeeignet für das weibliche Gehirn“, heißt es da beispielsweise oder: „Die Familie, nicht die Logik, ist die zugedachte Rolle der Frau.“

Zerknirscht treibt es Emma in die Sicherheit ihrer eigenen vier Wände, die allerdings heute keinerlei Trost für sie bereithalten, erfährt sie doch hier, dass ihr Vater den ausweglosen Kampf gegen seine Tuberkuloseerkrankung verloren hat. Aber auch im Tod lässt uns der Mann, der stets an uns glaubte und damit den Samen des eigenen Selbstvertrauens in uns pflanzte, nicht im Stich, hinterlässt er uns doch all seine Habseligkeiten, unter anderem auch seine Kleidung und eine Brille.

Aus Emma mach Emil

Genau diese macht Emma sich kurz darauf zu Nutze, wird ihr doch bewusst, dass die Welt einfach noch nicht bereit für eine Mathematikerin ist. Doch was, wenn es nur um ihren Geist gehen würde, nicht um ihren Körper und ihr Geschlecht? Aus diesem Gedanken heraus erwächst Emil Schell, den Emma fortan dank des Nachlasses ihres Vaters perfekt zu mimen versteht. Schnell erobert der junge Mann die Wissenschaftsherzen des Radius, auch wenn manchmal die Chemie nicht ganz stimmen mag und seine Wortwitze auf Unverständnis treffen.

Aber wo Außergewöhnliches zu finden ist, da finden sich auch Neid und Missgunst und so verschwimmen nicht nur die Grenzen zwischen Emma und Emil immer mehr, auch das wohlbehütete Geheimnis gerät in Gefahr und zwingt unsere Hauptfigur nicht nur darüber nachzudenken, wer sie eigentlich ist, sondern auch zu entscheiden, wer sie sein will. Ob sie es schließlich schafft, ihre Theorie zu vollenden und wie sie sich im Kampf der Geschlechter schlägt? Findet es selbst heraus!

Emmas ganz eigene Veränderung könnt ihr ab sofort selbst miterlerben. Alle vier Episoden sind Teil des Season Passes, den ihr für 9,99 Euro erhaltet, ihr könnt aber auch mit der ersten, kostenlosen Episode beginnen und die folgenden dann für je 3,99 Euro auf Steam herunterladen.

Charaktere mit Herz

Überraschend sind immer wieder die überaus gut gestalteten Charaktere, die einfach wunderbar sympathisch und authentisch wirken. Nicht nur die Protagonisten, auch Nebencharaktere, die nur wenig vorkommen oder zunächst gar unsympathisch wirken, sind mehrdimensional und können so schnell unser Herz erwärmen. Mi'pu'mi Games schafft es in jeder der Episoden, Charaktere aus Fleisch und Blut zu erschaffen, die Eindruck hinterlassen und in ihren Details zu einem großen Ganzen werden.

Für fröhliche Rufe des Wiedererkennens sorgen auf dieser Seite des Bildschirms übrigens gleich mehrere Charaktere aus den vorangegangenen Episoden, denn sowohl die Protagonisten als auch mehrere Randfiguren statten uns einen Besuch ab. Der Entwickler schafft es dabei, den roten Faden über die Episoden hinweg zu halten, ohne dass sich dieser aufgesetzt anfühlt.

Minimalistische Umsetzung mit großer Wirkung

Per Mausklick bewegen wir uns auf dem Bildschirm umher, interagieren mit Orten, Personen und Objekten, entscheiden uns für Dialogoptionen und können je nach Laune und Interesse zwischen Emma und Emil hin- und herwechseln. Die Grafik ist einfach gehalten und passt zum dargestellten Jahrhundert.

Wie bereits in den Vorgängern wird auch diese Geschichte durch die musikalische Untermalung unterstützt, Dialoge sind nur als Untertitel verfügbar, eine entsprechende Vertonung fehlt. Dies stört allerdings wenig, sind Mimik und den Emotionen angepasste Tonfolgen doch durchaus in der Lage, uns auch ohne Synchronsprecher mitzureißen und durch die Geschehnisse zu tragen.

Der Spielfortschritt wird wie gewohnt automatisch gespeichert und leider gibt es noch immer nur einen Speicherstand, was aufgrund der vielen Entscheidungen, die Einfluss auf das Schicksal der Protagonisten haben sollen, wirklich schade ist, würden wir sie doch gerne unabhängig voneinander durchspielen und die Konsequenzen direkt miteinander vergleichen.

Am Ende, welches übrigens etwas zwei Stunden vom Spielbeginn entfernt liegt, winkt zudem eine Auflistung unserer Entscheidungen und wir können diese mit denen von anderen Spielern vergleichen.

Wann genau die vierte Episode namens Closure erscheinen wird, ist bisher unklar, vermutlich wird dies noch ein paar Monate dauern. Dann aber werden die Handlungsstränge der drei Protagonisten endlich vollkommen zusammengefügt und wir können herausfinden, welches Schicksal ihnen unsere Entscheidungen beschert haben. Bis dahin bleibt nur: Noch einmal spielen und The Lion's Song in all seiner Variabilität erfassen!

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