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Nach dem Erfolg des ersten Kingdom Come: Deliverance war die Erwartungshaltung an den Nachfolger riesig. Kann Kingdom Come: Deliverance 2 das Mittelalter-Rollenspiel auf das nächste Level heben? Nach rund 120 Stunden Spielzeit und einem vollen Monat im virtuellen Böhmen, lässt sich sagen: Es bleibt dem Vorgänger treu, erweitert aber nahezu alle Aspekte und bietet ein noch intensiveres Erlebnis, das seinesgleichen sucht.
Vor allem aber hat das Rollenspiel eine Menge zu bieten – für geduldige Spieler, die sich auf seine Eigenheiten einlassen können. Und ihr braucht unbedingt eines: Unglaublich viel Zeit!
Gameplay – Anspruchsvoll, realistisch und belohnend
Eine Reise ins Böhmen des 15. Jahrhunderts
Warhorse Studios setzt erneut auf eine detailreiche, realistische Mittelalterwelt mit umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten. Die offene Spielwelt ist noch größer als zuvor, mit lebendigen Städten, Dörfern und Wäldern, in denen jede Entscheidung Konsequenzen hat. Zu Beginn könnt ihr euch in der Trosky-Region (samt gleichnamiger Burg) austoben, während es später in die Kuttenberg-Region geht. Euch stehen also zwei vollgepackte Karten zur Verfügung, zwischen denen ihr ständig wechseln könnt, und die eine doppelt so große Spielwelt wie beim Vorgänger liefern.

Im Mittelpunkt der zweiten Karte steht die Silberstadt Kuttenberg, die im 15. Jahrhundert zu den bedeutendsten Städten des Königreichs Böhmen gehörte und eines der wichtigsten Bergbauzentren Europas war. Erwähnenswert ist hier der Welsche Hof, der das Zentrum der königlichen Macht in Kuttenberg bildete und die einzige königliche Münzstätte beinhaltete. Da soll noch mal jemand sagen, dass Videospiele dumm machen!
Kampfsystem – Präzision statt Button-Mashing
Das Kampfsystem von Kingdom Come: Deliverance 2 gehört zu den anspruchsvollsten im RPG-Genre. Statt einfach nur wild auf Gegner einzuschlagen, müssen Spieler mit Timing, Präzision und Ausdauer arbeiten. Und ja, um es kurz zu machen, getrennt haben sich die Entwickler von Warhorse auch für den zweiten Teil nicht davon. Doch keine Sorge, es gibt einige Anpassungen.

Das System orientiert sich am historischen Fechten:
- Es gibt vier verschiedene Angriffsrichtungen (mit einem Schwert).
- Paraden und Blocks müssen genau getimet werden.
- Ein falscher Schlag kann Heinrich schnell ins Grab befördern.
Gerade zu Beginn fühlt sich das System ungewohnt schwerfällig an, doch mit steigender Erfahrung werden Kämpfe dynamischer. Wer sich auf die Lernkurve einlässt oder den ersten Teil gespielt und somit bereits Erfahrung sammeln konnte, erlebt ein unglaublich immersives Nahkampfsystem.
Gleichzeitig ist das System im direkten Vergleich zum Vorgänger etwas vereinfacht und vor allem intuitiver gestaltet worden, ohne gleichzeitig den realistischen Anspruch zu verlieren.

Historische Authentizität
Warhorse Studios hat genau wie beim Vorgänger akribisch recherchiert, um eine glaubwürdige Darstellung des Mittelalters zu liefern. Dörfer, Burgen und Städte sind nach realen Vorbildern gestaltet, Kleidung und Waffen basieren auf historischen Funden, und selbst die gesellschaftlichen Strukturen wurden so authentisch wie möglich umgesetzt.
Kingdom Come: Deliverance 2 vermittelt nicht nur die düstere, dreckige Realität des Mittelalters, sondern auch die politischen (wirren) Intrigen dieser Zeit. Während der Story trifft Heinrich auf viele historisch belegte Figuren, darunter Radzig Kobyla, einen adligen Heerführer, der Heinrich im ersten Ableger unter seine Fittiche genommen hat. Hab ich schon erwähnt, dass ihr in KCD 2 viel über Geschichte lernen könnt?

Story & Inszenierung
Die Handlung von Kingdom Come: Deliverance 2 knüpft an die Ereignisse des Vorgängers an und überzeugt mit packender Inszenierung, glaubwürdigen Charakteren und epischen Momenten. Besonders beeindruckend ist, wie detailliert die Figuren ausgearbeitet sind, was die emotionale Bindung an das Spiel enorm verstärkt.
Ich will an dieser Stelle nicht zu viel von der Handlung vorwegnehmen, denn genau diese großen, überraschenden Momente sind es, die immer wieder zum Weiterspielen motivieren. Warhorse schafft es auf clevere Art und Weise den Spieler zu Beginn der Handlung direkt wieder an die beiden Protagonisten Heinrich und Hans Capon heranzuführen. Selbst wenn ihr den Vorgänger nicht gespielt haben solltet, fesselt die unterhaltsame Dynamik zwischen den beiden Freunden und es macht einfach Spaß deren Gesprächen zu lauschen und in entscheidenden Momenten durch bestimmte Optionen selbst einzugreifen.

Schnell nimmt die Geschichte eine dramatische Wendung, als die Gruppe, die einen wichtigen Brief an den königlichen Kämmerer Otto von Bergow auf Burg Trosky übergeben soll, von Banditen überfallen wird.
Von dieser Stelle an geht es mit dem Glück der beiden jungen Männer stetig bergab, während der Krieg zwischen den Anhängern von König Sigismund und dem inhaftierten König Wenzel immer brutalere Ausmaße annimmt. Mitten im Sturm der Gewalt, Intrigen und Gier müsst ihr euren eigenen Weg finden und vor allem am Leben bleiben.
Quests – Mehr als nur Standardaufgaben
Die Quests in Kingdom Come: Deliverance 2 sind oft überraschend komplex. So gut wie alle Missionen und Quests bieten mehrere Lösungswege. Oft ist gar nicht klar, welche Entscheidungen was für Konsequenzen mit sich ziehen, da freut es, dass das Spiel in wichtigen Momenten eigene Speicherstände anlegt, wodurch ihr getroffene Entscheidungen bei Bedarf noch einmal revidieren könnt.
In jedem Fall ist die Bandbreite an Hauptmissionen, Aufträgen, Aktivitäten und Nebenquests immens:
- Ein Mordfall lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise lösen. Wer letztendlich von euch der Tat beschuldigt werden soll, entscheidet ihr. Aber ist die Wahrheit auch immer die richtige Wahl? Es gilt Beweise zu finden, richtig einzuordnen und nicht zuletzt das große Ganze im Blick zu behalten.
- Gespräche können je nach Charisma oder Ruf unterschiedliche Resultate haben. Es ist also entscheidend, dass ihr euch im Laufe eurer Reise auf die Kunst der Sprache und Diplomatie versteht, damit nicht jeder Konflikt mit Gewalt gelöst werden muss.
- Möchtet ihr eine ganze Burg ausradieren und alle Bewohner töten oder gibt es einen Weg, um ein solches Massaker zu verhindern? Immer wieder erwarten euch moralische Entscheidungen, bei denen ihr ganz genau abwägen müsst, was der richtige Weg ist. Aber gibt es überhaupt immer ein Richtig und Falsch?

Besonders eine Mission ist mir gut im Gedächtnis geblieben – und wird es wohl auch noch eine ganze Weile lang bleiben. Hier galt es in den zuvor erwähnten Welschen Hof zu gelangen – sagen wir mal, auf eine sehr kreative Art und Weise, um dort gelagerte, wertvolle Güter zu stehlen. Solche Aufträge zeigen, wie sehr sich Warhorse Studios von anderen klassischen Rollenspiel-Quests versucht abzuheben.
Natürlich gibt es hier und da auch mal die klassischen Fetch-Quests, bei denen ihr bestimmte Gegenstände, Rohstoffe oder Zutaten für NPCs sammeln müsst, vor allem aber bei den Hauptmissionen ist die Abwechslung an Aufgaben enorm, wodurch ein ganz eigener Flow entsteht, dem man sich kaum entziehen kann. So wird man von Mission zu Mission getragen und möchte stets wissen, wie es weitergeht („Nur noch die eine Mission!“).

Vor allem, wenn es bei der Handlung um große Schlachten oder Belagerungen geht, ist die Spannung oft kaum auszuhalten und man ahnt, wie schrecklich es für die Menschen damals ungefähr sein musste, wenn eine feindliche Armee vor den Stadttoren lauerte und die Burgbewohner langsam zu verhungern drohten.
Survival-Mechaniken – Essen, Schlafen, Pflegen
Ein weiterer einzigartiger Aspekt von KCD 2 ist das realistische Überlebenssystem. Heinrich muss regelmäßig essen und schlafen, seine Kleidung wird dreckig und seine Waffen müssen gewartet werden.
Dies trägt zur Immersion bei, kann aber auch frustrierend sein. Vor allem dann, wenn jeder Passant beim Vorbeirennen lautstark Heinrichs Geruch kritisieren. Leute, ich kann doch nicht jeden Tag dreimal duschen, wenn ich versuche einen Krieg zu gewinnen – kommt mal auf euer jämmerliches Leben klar! Schade, dass es damals noch kein klassisches Deo gab. Muss ich mir halt regelmäßig meinen eigenen Duft am Alchemietisch herstellen!

Wer sich aber auf das Konzept einlässt, wird mit einer besonders glaubwürdigen Spielwelt belohnt. Dazu trägt vor allem auch die Ego-Sicht bei. Ich weiß, dass diese schon beim Vorgänger nicht von jedem mit Kusshand begrüßt wurde, aber dadurch wird die Immersion immens verstärkt, Heinrich aus der Third-Person-Perspektive zu steuern, kann ich mir stattdessen nicht vorstellen.
Technik – Licht und Schatten
Optisch ist Kingdom Come: Deliverance 2 unglaublich beeindruckend und eine ganz klare Steigerung zum ersten Ableger.
- Detaillierte Wälder, mittelalterliche Städte und Burgen wirken super realistisch. Vor allem das mittelalterliche Kuttenberg ist unfassbar detailliert umgesetzt worden und wirkt eher wie ein virtueller Museumsbesuch, bei dem man einfach nicht genug bekommt. In einer solchen Form habe ich noch nie eine mittelalterliche Stadt durchschritten.
- Die Beleuchtung sorgt ebenfalls für eine dichte Atmosphäre. Vor allem bei Nacht mit einer Fackel durch die finsteren Gassen zu laufen, ist eine völlig andere Atmosphäre als am helllichten Tag.
- Die Gesichtsanimationen sind für mich allerdings das große Manko im Spiel. Immer wieder wirken die Gesichter der Figuren seltsam emotionslos und leer. Vielleicht können die Entwickler an dieser Stelle mit dem einen oder anderen Patch aber noch ansetzen und die Qualität etwas steigern. Denn es sind solch kleine Makel, die einen dann doch schnell mal aus der ansonsten so dichten und konsistenten Atmosphäre herausreißen.
Ich habe Kingdom Come Deliverance 2 auf der PS5 getestet. In über 120 Spielstunden erlebte ich insgesamt vielleicht 2-3 Abstürze des Rollenspiels. Game Breaker, wodurch Quests nicht abgeschlossen werden konnten, sind mir dabei nicht ein einziges Mal begegnet. Ruckler habe ich tatsächlich nur kurz einmal ganz am Ende der Handlung festgestellt. Ansonsten läuft der Nachfolger auf der normalen PS5 deutlich stabiler und flüssiger als sein Vorgänger.

Die Grafik wirkt noch realistischer, Licht- und Schatteneffekte sorgen für eine dichte Atmosphäre. Allerdings gibt es wie erwähnt einige kleinere Bugs und Fehler, die bei einem so komplexen Rollenspiel wohl kaum zu vermeiden sind und hoffentlich mit dem ersten Patch behoben sein werden. Denn ich habe bis kurz vor dem offiziellen Release ohne Patch gespielt. Erst Ende Januar stand das erste Update zum Download bereit, das ich vor der Erstellung dieses Tests aber noch nicht im Detail ausprobiert habe.
Diese Bugs hatte ich beim Spielen:
- KI-Fehler führen manchmal zu skurrilem Verhalten von NPCs.
- Zwischensequenzen blieben an manchen Stellen hängen, werden aber nach einer kurzen Pause weiter abgespielt.
- Physik-Glitches können für unfreiwillig komische Momente sorgen.
- Audio-Bugs: Gespräche oder einzelne Dialog-Sequenzen wurden ständig erneut abgespielt und immer mal wieder ertönte in Dauerschleife das Geräusch, wenn Heinrich einen Trank zu sich nimmt.
Wie der Titel dabei auf dem PC läuft, kann ich euch leider nicht sagen, da ich ausschließlich auf der Sony-Konsole getestet habe. Ich verlinke euch an dieser Stelle aber mal die offiziellen Systemvoraussetzungen.
Die Reise von KCD 1 zu KCD 2
In jedem Fall ist es beeindruckend, wie gut optimiert Entwickler Warhorse Studios das Spiel mehr als einen Monat vor dem Release der Presse zur Verfügung gestellt hat. Das zeigt gleichzeitig aber auch, über was für ein Selbstvertrauen das tschechische Studio bei dem Nachfolger verfügt.
Nach dem Erfolg des ersten Teils begann das Studio im Juli 2019 mit der Entwicklung von Kingdom Come Deliverance 2. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Warhorse Studios 131 Mitarbeiter. Bis zum Frühjahr 2024 wuchs das Team auf etwa 250 Personen an, was eine erhebliche personelle Expansion darstellt.
Dieses Wachstum ermöglichte es dem Studio, seine Ressourcen und Erfahrungen zu erweitern, um die Fortsetzung noch ambitionierter zu gestalten. Mit einem größeren Team konnte Warhorse Studios schließlich die Entwicklungskapazitäten erhöhen und somit ein umfangreicheres und detaillierteres Spielerlebnis schaffen und natürlich eine noch größere Spielwelt. Die Erweiterung des Teams spiegelt ganz klar das Engagement des Studios wider, die Qualität und den Umfang des eigenen Projektes kontinuierlich zu verbessern und aus vergangenen Fehlern zu lernen. Und das merkt man an jeder Ecke der Spielwelt!

Zusätzlich zur personellen Verstärkung investierte Warhorse Studios in technische Verbesserungen. Für Kingdom Come: Deliverance 2 wurde eine stark angepasste Version der CryEngine verwendet, um eine realistische und immersive mittelalterliche Welt darzustellen. Zudem wurde der Entwicklungsprozess durch den Einsatz von Motion Capture und Facial Capture verfeinert, um authentischere Charakteranimationen zu gewährleisten (ja, mit den Gesichtern bin ich dennoch nicht ganz zufrieden!). Die Zusammenarbeit mit Historikern, Universitäten und Museen wurde fortgesetzt, um die historische Genauigkeit und Glaubwürdigkeit des Spiels zu gewährleisten. Kein Wunder also, dass ein Kuttenberg so detailliert gestaltet wurde, wie es im fertigen Spiel eben aussieht.
Es sind aber auch die unzähligen hochwertig erstellten Zwischensequenzen, die nicht nur die einzelnen Missionen miteinander verbinden, sondern durch ihren hohen Realismus und Qualität stark in ihren Bann ziehen. Teilweise hat man hier das Gefühl, dass man einen Mittelalterfilm ansieht.
Die personelle und technische Weiterentwicklung von Warhorse Studios zwischen den beiden Spielen zeigt deutlich das Bestreben des technischen Studios, seine Vision von realistischen und tiefgründigen Rollenspielen kontinuierlich zu erweitern und zu verbessern.

Sound & Synchronisation – Ein Highlight des Spiels
Musik – Mittelalterliche Klänge vom Feinsten
Der Soundtrack von Kingdom Come: Deliverance 2 ist wirklich herausragend gelungen und passt perfekt zur mittelalterlichen Atmosphäre. Von ruhigen Lautenklängen in Dörfern bis zu epischen Orchesterstücken in Schlachten – die Musik trägt enorm zur Immersion bei. Hier bleiben im Grunde kaum Wünsche offen. Den Soundtrack werde ich mir wohl auch abseits des Spiels noch eine ganze Zeit lang zu Gemüte führen.
Synchronisation – Deutsche Fassung gelungen
Die englische Sprachausgabe ist erstklassig, aber auch die deutsche Synchronisation überzeugt mit sehr guten Sprechern und authentischer Betonung.
Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der Akzente, die verschiedene gesellschaftliche Schichten widerspiegeln. Das habe ich bislang noch in kaum einem Spiel in dieser Qualität erlebt. Natürlich ist nicht jeder Bauer perfekt besetzt, wenn hier nur wenige Sätze gesprochen werden und hier und da wurden offensichtlich Sprecher für mehrere Rollen verpflichtet. Das alles ändert aber nichts daran, dass Warhorse in Bezug auf die gesamte Audiountermalung seine Hausaufgaben gemacht hat.
Spielzeit & Wiederspielwert
Mit einer Spielzeit von rund 80 Stunden für die Hauptstory kann Kingdom Come Deliverance 2 schnell über 120 Stunden in Anspruch nehmen, wenn ihr einige der zahlreichen Nebenquests mitnehmt. Ich habe die Kampagne innerhalb von einem Monat in rund 120 Stunden durchgespielt. Dabei ist es aber fast unmöglich, nicht immer mal wieder auch Aufgaben abseits der Handlung zu erledigen oder einfach die Spielwelt auf sich wirken zu lassen.
Denn zum einen benötigt ihr Geld, gute Ausrüstung und Erfahrung, um auch in späteren Missionen klar zu kommen und zum anderen können viele der Quests auf unterschiedliche Art und Weise gelöst werden, was zum Teil optionale Aufgaben einschließt, die euch erst einmal in eine völlig andere Richtung lenken, ehe es wieder zurück zum Kern der Mission geht.

Zudem gibt es sehr viel Raum für Wiederspielwert:
- Entscheidungen beeinflussen den Verlauf der Geschichte zum Teil sehr stark.
- Verschiedene Spielstile (Kämpfer, Dieb, Diplomat) bieten zahlreiche Möglichkeiten, können aber auch gut miteinander kombiniert werden.
Wie bereits erwähnt, gilt es zudem immer mal wieder moralische Entscheidungen zu treffen, die euch spätestens zum Ende des Spiels vor die Nase gesetzt werden. Möchtet ihr zum Beispiel ein ganzes Dorf als Ablenkung zerstören, damit der spätere Angriff auf eine Burg einfacher verläuft oder entscheidet ihr euch zum Wohle der Bewohner, wodurch die Eroberung schwieriger ausfällt?
Im Verlauf der Handlung verwischt zudem immer mehr die Grenze zwischen dem Guten und Bösen. Denn jede Partei hat durchaus seine eigenen, nachvollziehbaren Gründe, weshalb sie sich einem der beiden Könige angeschlossen haben. Und gehört Heinrich zu den guten, wenn er selbst so wie die Männer handelt, die damals sein Heimatdorf Skalitz überfallen und seine Eltern getötet haben?
Und nicht zuletzt wird das in Spielen oft genutzte Motiv von Rache verwendet. Rechtfertigt Rache jede Tat, nur weil einem zuvor ebenfalls Unrecht angetan wurde? Sucht gar nicht erst nach einer Antwort, denn in der Realität ist eben nicht immer alles weiß oder schwarz. Und auch Kingdom Come Deliverance 2 hat sich auf die Fahne geschrieben, solche Aspekte möglichst realitätsgetreu umzusetzen und für Spieler erlebbar zu machen.
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch einmal, dass mich KCD 2 tatsächlich viel über das damalige Leben im Böhmen des 15. Jahrhundert gelehrt hat. Ich war eigentlich schon immer sehr geschichtsinteressiert, aber eine solch immersive Möglichkeit, die damalige Zeit zu erleben, gab es bis jetzt schlichtweg nicht. Und genau das wissen die Verantwortlichen, weshalb ihr an so gut wie jeder Ecke nur Kodex-Einträge freischalten könnt, die vollgepackt mit historischem Wissen sind und wie eine digitale Geschichtsstunde wirken. Solch ein Unterricht hätte mir in meiner Schulzeit definitiv gefallen!

Kommen wir aber zu der letzten wichtigen Frage: Ist eine größere Spielwelt wirklich immer besser und sinnvoll für ein Rollenspiel wie KDC 2? Im Rahmen der Ankündigung wurde der Titel immer wieder dadurch beworben, dass die Spielwelt nun doppelt so groß ausfällt. Ein beliebtes Marketing-Instrument, um die Aufmerksamkeit der Spieler zu wecken und letztendlich mehr Verkäufe zu erzielen.
In diesem Fall kann ich aber versprechen, dass die deutlich größere Welt für mich keine negativen Auswirkungen mit sich gezogen hat. Durch das größere Studio und einem wahrscheinlich deutlich höheren Budget, sind die beiden zur Verfügung stehenden Karten nicht schlechter gefüllt worden – eher im Gegenteil. Denn es gibt unzählige kleine Points of Interest, die auf euch abseits des Wegerands warten und oft kleinere Geschichten erzählen. Das sind genau die Details, die die Erkundung einer Spielwelt so spannend und motivierend machen.

Aber ja, ein Fakt ist natürlich nicht von der Hand zu weisen: Die größeren Karten in Kombination mit einer sehr umfangreichen Geschichte mit unzähligen Facetten bedeuten auch eine höhere Spielzeit. Wer viele Verpflichtung in seinem Alltag hat und kaum zig Spielstunden hier und da erübrigen, der wird mit Kingdom Come Deliverance 2 wohl kaum glücklich.

Fazit von Patrik Hasberg
Kingdom Come: Deliverance 2 ist ein außergewöhnliches Rollenspiel, das sich mutig von gängigen Genre-Klischees abhebt. Die Mischung aus historischem Realismus, tiefgründiger Story und herausforderndem Gameplay sorgt auch beim zweiten Ableger für ein unvergessliches Erlebnis – vorausgesetzt, man kann sich auf das langsame und anspruchsvolle Spieltempo einlassen.
Klar, es gibt immer mal wieder Stellen, an denen mich meine Geduld verließ. Vor allem eine Mission gegen Ende der Handlung brachte mich fast zur Weißglut, da man hier durch ein Lager/Dorf voller gegnerischer Soldaten schleichen musste. Weder war mir das genaue Ziel klar, noch machte es mir die oft etwas dümmliche (aber sehr aufmerksame) KI der Wachen sonderlich einfach.
Es ist völlig ok, das der Anspruch für ein solches Rollenspiel hoch ist, gleichzeitig sollten die Entwickler aber ein paar Stellen im Spiel noch ein etwas anpassen und das Spiel damit zugänglicher machen, um eine größere Zielgruppe zu erreichen.
Gut umgesetzt wurde in dieser Beziehung aber das Kampfsystem des ersten Ablegers, bei dem ich immer meine Probleme hatte. Es ist völlig verständlich, dass man sich davon nicht komplett trennen wollte, schließlich ist es so etwas wie das Alleinstellungsmerkmal des Rollenspiels, dennoch wurde an den richtigen Schrauben gedreht, um es intuitiver und einsteigerfreundlicher zu gestalten. Ich für meinen Teil bin damit nach den ersten zehn Spielstunden immer besser zurecht gekommen, habe mittlerweile meine große Freude daran.

Die größte Stärke des Spiels ist aber seine Immersion: Man fühlt sich wirklich ins 15. Jahrhundert zurückversetzt. Wenn ich dann oben auf der Burgmauer stehe und vor mir die Belagerung der Prager sehe, während im Hintergrund epische Musik ertönt, dann ist das schon ein ganz besonderes Feeling, das ich zuletzt beim ersten Teil hatte – nur eben in oft kleineren Ausmaßen.
Kingdom Come Deliverance 2 ist außerdem ein wahrer Zeitfresser – aber eher im positiven Sinne. Die riesige Spielwelt, die tiefgründigen Quests und die zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten sorgen für ein extrem fesselndes Erlebnis. Mal nicht auf die Uhr geschaut, ist es auch schon wieder vier Uhr am Morgen und der NPC mir gegenüber scheint dennoch zu keinem Ende zu kommen („Komm endlich mal zum Punkt, ich will schlafen gehen!“).
Trotz kleinerer technischer Makel ist Kingdom Come Deliverance 2 eine deutliche Verbesserung zum Vorgänger und ein Muss für Fans des ersten Teils und Mittelalter-RPGs. Wer sich die Zeit nimmt und von dem Titel komplett einnehmen lässt, der erlebt das mitunter beste Mittelalter-Rollenspiel, das derzeit auf dem Markt verfügbar ist. Seid ihr aber eher auf schnelle Action aus und mögt keine Survival-Mechaniken, bei denen der Protagonist regelmäßig essen muss oder eine längere Einarbeitung in die anderen komplexen Gameplay-Aspekte, dann wird euch auch der zweite Ableger nicht gefallen.
Pro:
✅ Unglaublich authentische Mittelalterwelt
✅ Anspruchsvolles Kampfsystem mit Tiefgang
✅ Gut geschriebene Quests mit moralischen Entscheidungen
✅ Fantastischer Soundtrack & gelungene Synchronisation
✅ Hoher Wiederspielwert
Contra:
❌ Bugs und KI-Probleme (zum Teil auch nach Patches)
❌ Kampfsystem erfordert lange Einarbeitung
❌ Survival-Mechaniken können frustrierend sein
