Nachdem wir in „Days Gone“ und Co. bereits gegen riesige Zombiehorden gekämpft haben, schickt uns der französische Entwickler Asobo mit „A Plague Tale: Innocence“ ins Frankreich des 14. Jahrhunderts. Hier grassiert nicht nur die Pest samt Ratten, auch die fiese Inquisition rückt dem Spieler auf den Pelz. Ob sich das Adventure als wahre Plage entpuppt oder wir einen narrativen Leckerbissen geboten kommen, klären wir in unserem Test. Frankreich im Jahre 1349 - sicherlich eine Zeit, in der man nicht unbedingt in Europa leben wollte. Nicht nur, dass von 1337 bis 1453 der blutige Hundertjährige Krieg zwischen England und Frankreich stattfand, im 14. Jahrhundert wütete in Europa außerdem die als Schwarzer Tod bezeichnete Pest. Zwischen 1346 und 1353 kostete die Krankheit rund 25 Millionen Menschen das Leben. Wie gut, dass wir mittlerweile in einer deutlich aufgeklärteren Welt leben, vor allem was Wissenschaft und Medizin betrifft. In dem Adventure A Plague Tale: Innocence des französischen Entwicklers Asobo Studio wird nicht nur die verheerendste Pandemie der Weltgeschichte thematisiert, es wurden zudem riesige Rattenschwärme als zentrales Spieleelement verbaut, wie es beispielsweise die Entwickler von Bend Studio bei Days Gone oder Saber Interactive bei World War Z mit Zombiehorden umgesetzt haben. Entsprechend dürfen sich Spieler auf ein ebenso düsteres wie spannendes Kapitel der Weltgeschichte freuen – glücklicherweise aber aus sicherer Distanz vor dem eigenen Bildschirm. Schließlich möchte man sich nicht einmal vorstellen, wie die katastrophalen Zustände in den Städten des Mittelalters tatsächlich ausgesehen haben müssen. Vor allem der bestialische Gestank der unzähligen Opfer muss derart grauenvoll gewesen sein, dass die Menschen voller Panik die Städte verlassen haben. In „A Plague Tale: Innocence“ verfolgt zu allem Überfluss auch noch die Inquisition einen wahnsinnigen Plan, der die Welt in ein noch viel schlimmeres Chaos zu hüllen droht, das nur die junge Amicia gemeinsam mit ihrem 9-jährigen Bruder aufzuhalten vermag. Amicia de Rune In einem solchen Setting ein noch so junges Mädchen zu steuern (Amicia ist um die 16 Jahre alt), das einer erschlagenden Übermacht gegenübersteht, ist ein cleverer Schachzug der Franzosen. Vor allem da Amicia tatsächlich nur eine Schleuder als Waffe in die Hand gelegt bekommt, mit der sie sich durch das rund 12- bis 14-stündige Adventure schießen muss. Bereits der Beginn ist erfrischend andersartig und verspricht ein Spiel, das wir in dieser Form und mit diesem Setting bislang noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Immer wieder verdeutlichen uns die Entwickler, dass die Protagonistin eben keine glorreiche Heldin ist, die es mit ganzen Gegnerhorden gleichzeitig aufnehmen kann. Überraschenderweise streckt in „A Plague Tale: Innocence“ also ein wirklich guter Stealth-Titel, der durch clevere Einfälle gut funktioniert und sich angenehm von anderen Genre-Kollegen abhebt. Denn mit der Zeit kann Amicia nicht nur Steine auf Gegner verschießen, sondern aus einem gut gefüllten Inventar mit verschiedenen Geschossen wählen – dank der Alchemie! Der größte Pluspunkt ist dabei, dass das Stealth-System perfekt mit Amicias Waffen in Einklang gebracht wurde und dadurch weitreichende Möglichkeiten entstehen. Denn warum sollen wir uns als noch junges Mädchen einem gestandenen Ritter in voller Rüstung gegenüberstellen, wenn wir uns auch diversen Kniffen bedienen können? David gegen Goliath Da Amicias Schleuder recht laut ist, lernen wir schnell, dass sich Steine oder Töpfe auch per Hand auf Kisten und andere Objekte werfen lassen, um Gegner abzulenken oder in eine andere Ecke zu locken. Dann schleichen wir einfach an den fiesen Inquisitions-Söldnern vorbei und huschen in die nächste Deckung in Form von Feldern oder Wiesen. Dadurch ersparen wir uns gerade in den ersten Stunden eine Menge Ärger und Frustmomente, denn werden wir entdeckt, dann war es das für uns! Doch wie erwähnt bieten sich mit der Zeit neue Möglichkeiten, damit wir uns gegen die Übermacht zur Wehr setzen können und dann doch nicht ganz so hilflos sind. Beispielsweise können wir später ein Geschoss (ähnlich Thermit) verschießen, das Gegner voller Panik ihre Helme von den Köpfen reißen lässt, damit wir diese anschließend mit einem gezielten Schuss ausschalten können. Und ja, es gibt einen Konflikt, den Amicia nach ihren ersten getöteten Gegnern durchmacht, später scheint ihr das aber nicht mehr sonderlich viel auszumachen. Situationsbedingt ist es aber auch weitgehend nachvollziehbar, wie sich das junge Mädchen entwickelt und verändert. Schließlich möchte sie in aller erster Linie ihren Bruder Hugo beschützen, in dem eine mysteriöse Krankheit zu stecken scheint, die mit den rotäugigen Ratten sowie der Inquisition zusammenhängt. In dem Großteil der insgesamt 17 Kapitel hat Amicia ihren Bruder an der Hand und schleicht mit ihm gemeinsam um Gegner herum. Ab und an muss sie ihn allerdings vorausschicken, damit er beispielsweise ein Fenster öffnet, durch das seine Schwester hindurchklettern kann. Schließlich ist der 9-Jährige kleiner und passt auch durch schmale Löcher in einer Mauer hindurch. Dabei kommt es aber meistens auf ein gutes Timing an, damit Hugo nicht von den Wachen entdeckt wird, denn auch dann ist das Spiel direkt vorbei. Per Tastendruck kann Amicia ihrem Bruder zudem mitteilen, dass er auf sie warten soll. Entfernt ihr euch dann aber zu weit von Hugo, bekommt er es mit der Angst zu tun und macht dadurch die Inquisition auf sich aufmerksam. „A Plague Tale: Innocence“ verspricht ein auf Story basiertes Erlebnis. Entsprechend haben die Entwickler den Fokus auf die Geschichte, die einzelnen Charaktere und zahlreichen Dialoge gelegt. Zwar habt ihr immer mal wieder etwas größere Bereiche, damit ihr um Gegner herumschleichen könnt, insgesamt bewegt ihr euch aber durch stark begrenzte Schlauchlevel, deren Grenzen nicht immer nachvollziehbar wirken. Dadurch werdet ihr jedoch ständig an einem roten Faden durch die verschiedenen Kapitel geführt, was der Spannung spürbar zugutekommt. Nach und nach erfahren wir mehr über die Krankheit, die in unserem Bruder wütet und welche Ziele die Inquisition wirklich verfolgt. Dabei schafft es Asobo mit den verschiedenen Schauplätzen und der durchgängig spannenden Story, die Motivation stetig hoch zu halten. Ratten: Sie sind überall! Neben den Soldaten der Inquisition sind aber vor allem die Ratten euer schlimmster Widersacher. Laut der Entwickler können mit der Engine des Spiels bis zu 5.000 Ratten gleichzeitig auf eurem Bildschirm dargestellt werden. Entsprechend übertrifft der Wuselfaktor sogar den der Siedler-Reihe! Dadurch, dass Feuer die größte Angst der Ratten darstellt, wird dieses Element im Verlauf des Spiels euer wichtigster Verbündeter. Denn nur samt einer Fackel könnt ihr euch einen Weg durch die riesigen Rattenschwärme bahnen. Doch Achtung, einfache Stöcke brennen nicht sonderlich lange, weshalb meistens Eile geboten ist. Dank Feuergeschossen habt ihr später aber auch selbst die Möglichkeit, für Licht in der Dunkelheit zu sorgen und somit eine Schneise durch die Ratten zu schaffen. Auf der anderen Seite könnt ihr die Nagetiere natürlich auch gegen menschliche Gegner einsetzen, die sich das Feuer ebenfalls zu Nutze machen. Besonders befriedigend ist es, wenn ihr den Soldaten aus dem Verborgenen die Fackeln oder Laternen löscht und diese anschließend in Panik ausbrechen. Innerhalb von Sekunden erkennen die Ratten ihre Chance und fallen über die hilflose Wache her. Dabei ist die Simulierung der Nagetiere insgesamt sehr gelungen, auch wenn die KI nicht die Hellste ist. Immer wieder verirren sich einige Ratten in Ecken oder laufen wie von der Tarantel gestochen hin und her. Ob sich tatsächlich mehre tausend Tiere in einzelnen Gebieten tummeln, haben wir zwar nicht nachgezählt, ein Aufeinandertreffen mit einer Freakers-Horde aus „Days Gone“ wäre aber bestimmt ein ziemliches Spektakel! Wenig Anspruch Habt ihr aber erst einmal das allgemeine Gameplay verinnerlicht, lässt der Anspruch in „A Plague Tale: Innocence“ schnell zu wünschen übrig. Denn in den meisten Situationen ist klar erkennbar, was das Spiel von euch verlangt und welche Taktik eingesetzt werden soll. Das ist vor allem deshalb schade, da es keinen einstellbaren Schwierigkeitsgrad gibt. Gelegentliche Tode passieren meist eher durch die unglücklich gewählte Kameraperspektive oder weil wir aus Versehen zu nah an einen Rattenschwarm gekommen sind. Richtig ärgerlich ist es, wenn unsere Mitstreiter, die sich Amicia im Laufe der Handlung anschließen, bei Schleichpassgen aufrecht durch das Level laufen oder lebensmüde in die Ratten hineinspringen. Dann kommt meist jede Hilfe zu spät und wir müssen den Spielstand laden. Sonderlich häufig ist uns ein solches Verhalten zum Glück aber nicht passiert. Die meiste Zeit über reagieren unsere Freunde brav auf einfache Befehle, um zum Beispiel eine Wache von hinten auszuschalten oder abzulenken. Wunderschön ekelig Der größte Pluspunkt, der „A Plague Tale: Innocence“ mitbringt, ist die sehr gelungene Atmosphäre. Die Entwickler haben mit ihrem Spiel ein gutes Auge für Details bewiesen und die mittelalterlichen Schauplätze entsprechend ziemlich realistisch umgesetzt. Wir laufen durch eine pestverseuchte Stadt, in der sprichwörtlich der Tod regiert. Durch die verschiedenen Grautöne wirkt die Umgebung trostlos und wenig einladend. Das große, weiße X, das an zahlreichen Türen prangt, hinter denen sich Pesterkrankte befinden, lässt uns den Schrecken vor der gefährlichen Krankheit im Mittelalter zumindest ein wenig erahnen. Besonders eindrucksvoll wie erschreckend war der Gang quer über ein Schlachtfeld, auf dem sich kurz zuvor noch Engländer und Franzosen gegenüberstanden. Amicia steigt mit ihrem Bruder über Leichenberge, während ihre entsetzten Kommentare die unwirkliche Situation perfekt beschreiben und die Atmosphäre zum Greifen gespannt macht. Natürlich sind die Ratten angesichts der vielen Toten ebenfalls nicht weit – ein wahres Horrorszenario. In grafischer Hinsicht überzeugen vor allem Feuer und Lichteffekte. Ebenfalls gut gelungen ist den Entwicklern die Darstellung sämtlicher Vegetation außerhalb der Städte. Die Simulierung der Rattenschwärme ist zwar nicht immer völlig perfekt, trotzdem kribbelt es uns noch jetzt, wenn wir an die vielen Nagetiere denken müssen. Lediglich Gesichter sehen mangels komplexer Mimik zumeist ein wenig unnatürlich und leblos aus. Während die Soundkulisse insgesamt ebenfalls überzeugen kann, solltet ihr euch im Vorfeld überlegen, in welcher Sprache ihr das Adventure spielen möchtet. Zwar ist die deutsche Vertonung insgesamt ordentlich, die englische und vor allem französische Synchronfassung ist aber deutlich besser gelungen. Das liegt unter anderem daran, dass die englische Sprecherin einen französischen Akzent hat, die deutsche Stimme hingegen nicht. Wir empfehlen euch deshalb für ein Stimmungsplus die originalen französischen Stimmen auszuwählen und je nachdem den deutschen Untertitel hinzuzuschalten.