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Games: Über soziale Verantwortung in Videospielen

Von Manuel Schmitt - Kolumne vom 15.10.2019 12:06 Uhr
© Sony Interactive Entertainment

Beispiel: Hatred

Diese Gefahr wurde auch im Computerspiel Hatred offensichtlich. Wir erinnern uns: Ein polnisches Studio entwickelte 2015 eine Art Top-Down-Amoklauf, eine Gewaltorgie, dessen einzige Rechtfertigung Misanthropie ist. Die GameStar, deren Kritik zu dem Spiel inzwischen nicht mehr abrufbar ist, schrieb damals: „Die Gewaltdarstellung von Hatred ist nicht zielgerichtet, hat keinen sinnvollen Kontext.“

Diese Interpretations-Leere, die beim Joker ebenso kritisiert wurde, ist deshalb so gefährlich, weil sie eine Art Projektionsfläche für Extremisten darstellt. Die Leere wird angefüllt mit eigenem verquerem Gedankengut, sie wird zu einer Spielwiese der Möglichkeiten für Leute, deren moralischer Kompass nicht mehr funktioniert.

„Gamer können die Realität von Computerspielen unterscheiden!“. Diesen Satz habt ihr bestimmt so oder so ähnlich schon mal gelesen. Und er trifft auf eine große Mehrheit der Spieler zu. Die Frage ist nun, ob diese Mehrheit, deren moralischer Kompass funktioniert, nur wegen einiger Weniger auf Gewalt in Spielen verzichten muss. Bevor wir diese Frage beantworten, noch ein Beispiel.

Beispiel: Rape Day

In 2019 erschien ein Spiel mit dem Namen „Rape Day“ auf Steam, eine Art illustriertes Choose-Your-Own-Adventure, in der man während einer Zombie-Apokalypse nichts anderes zu tun hat, als Schutz suchende weibliche Überlebende zu vergewaltigen. Das Spiel wurde zurecht von fast allen Plattformen und Zahlungsdiensten gebannt, inzwischen ist nicht einmal mehr die Webseite des Entwicklers abrufbar.

Auf dieser hatte der amerikanische Spieledesigner sein Werk verteidigt und einige nicht ganz uninteressante Fragen formuliert. Denn die Frage, warum nun Vergewaltigung als Gegenstand eines Spieles nicht akzeptabel sei, das Töten eines Menschen, wie es zuhauf vorkommt, allerdings schon, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Immerhin sei auch die Vergewaltigung in einem Computerspiel „nur“ eine Fantasie, und außerdem – auch das stand auf seiner Webseite – könnten Gamer erwiesenermaßen die Realität von der Fantasie eines Computerspieles unterscheiden.

Wie bei allen vorigen Beispielen ist hier erneut der fehlende Kontext, also das Nicht-Einfügen der dargestellten Handlungen in ein moralisches Gefüge, das Problem. In dem Moment, in dem Gewalt der Gewalt willen dargestellt wird und keinem dramaturgischem Ziel dient, entsteht jene Leere, die für eine instabile Psyche so gefährlich sein kann.

Die soziale Verantwortung

Während Beispiele wie „Rape Day“ oder „Hatred“ recht eindeutig sind, so ist die Beurteilung von anderen Spielen beileibe nicht so einfach. Call of Duty zum Beispiel ist immer wieder bekannt dafür, die Grenzen des Verträglichen auszutesten, sei es in einer Szene, in der man einen Menschen foltern muss, um weiterspielen zu können, oder Terroristen, die Unschuldige umschießen, durch einen Flughafen begleitet.

Noch subtiler? In Watch Dogs soll der Spieler in einer Mission einen Menschenhandel-Ring auffliegen lassen. Hier könnte man meinen, dass doch der Kontext eindeutig vorhanden ist, der moralische Kompass also dem Spieler eindeutig zeigt: Menschenhandel ist böse. Bedauerlicherweise schafft es Ubisoft in dieser Mission allerdings nicht, auf eine opportune Fleischbeschauung zu verzichten. Statt zum Beispiel die Perspektive der Opfer zu zeigen, deren Angst und Demütigung, wird der Spieler minutenlang an aufgereihten, halbnackten Frauen während der Versteigerung entlanggeführt.

Das meine ich mit sozialer Verantwortung. Aggression und sexuelle Gewalt sind in unserer Gesellschaft vorhanden und dürfen deshalb auch nicht aus der Unterhaltungsbranche verdammt werden – beides gehört zu einem dramaturgischen Repertoire dazu. Sie müssen jedoch richtig eingesetzt werden.

Als Geschichtenerzähler hat man eine Verantwortung und auf diese müssen wir unsere Spiele-Entwickler festnageln, denn Geschichten sind nicht nur ein Abbild unserer Gesellschaft, sondern sie beeinflussen gleichzeitig die Sichtweisen nachfolgender Generationen. Und das bedeutet nicht, dass ein amerikanisches Versprechen („das Gute siegt immer“) ohne Ausnahme eingehalten werden muss! Es bedeutet nicht, dass am Ende stets der moralische Zeigefinger stehen muss.

Aber im Angesicht von real existierendem Hass, Xenophobie, Populismus und Ignoranz – wäre es da nicht wünschenswert, wenn ein modernes Medium wie das Computerspiel es schaffen würde, diesen zerstörerischen Tendenzen entgegenzuwirken? Ich für meinen Teil würde es mir wünschen.

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