PLAYCENTRAL SPECIALS The Last of Us 2

Warum The Last Of Us 2 Opfer inakzeptabler Wut wird – ein Kommentar

Von Lucas Grunwitz - Special vom 21.06.2020 16:04 Uhr
The Last of Us 2
© Sony Interactive Entertainment

Die Social-Media-Welt erlebt aktuell den ersten Shitstorm der Videospielbranche des Jahres und das in der Corona-Special-Edition 2020. Hitzige Kommentare und emotionale Diskussion unter Postings von Influencern und offiziellen Social-Media-Kanälen – ganz klar, dass wir über den Release von The Last Of Us 2 sprechen müssen, der sich innerhalb weniger Stunden zu einem Shitstorm seinesgleichen entwickelte.

Kritiker berichten von mangelndem Fortschritt und einer vorhersehbaren Story, Fans hingegen sprechen von einem wahren Meisterwerk und würdigen Nachfolger zum Original. Eine Grauzone gibt es in Anbetracht der Tonwahl und des Sprachgebrauchs zwischen Totalausfall und Meisterwerk offensichtlich nicht.

The Last of Us 2 Gegner
© SIE/Naughty Dog

„The Last of Us“ hat mich persönlich nie wirklich in seinen Bann ziehen können. Für mich war es immer dieser spektakuläre Titel der PlayStation 3-Generation, den gefühlt jeder in den Himmel gelobt hat, für dessen Geschichte ich mich aber nie richtig begeistern konnte – und das ist auch vollkommen in Ordnung. Videospiele müssen nicht jedem gefallen. Übrigens auch dann nicht, wenn es sich dabei um den Nachfolger eines heißgeliebten Klassikers handelt, denn seien wir ehrlich: Ein derart gehypter Titel kann und wird niemals alle Erwartungen erfüllen. Dabei Kritik zu üben ist wichtig und notwendig, aber stets dann, wenn sie auch konstruktiv und sinnvoll herüberkommt.

Ich erwähne all das, weil es mir im Folgenden nicht darum geht „The Last of Us“ zu verteidigen oder zu kritisieren – das steht mir in Anbetracht dessen, dass ich keinen der beiden Titel jemals gespielt habe auch gar nicht zu. Was mir aber vollkommen objektiv absolut gegen den Strich geht, ist die barbarische Art und Weise, in der die Meinungsverschiedenheiten in Richtung „The Last of Us 2“ ausgefochten werden. Das ist keine konstruktive Kritik. Das ist Wut. Wut gegen ein Videospiel und dessen Inhalt sowie nackter Hass gegen einen Spielentwickler. Grund genug sich in den Hass anonymer Menschen einzuarbeiten.

Och menno – Muss diese Sexualität jetzt wirklich sein?

Beeinflussen Videospiele Menschen? Auf jeden Fall. Nutzen Entwickler und Unternehmen Videospiele aktiv aus, um unser Handeln und Denken zu beeinflussen? Das wissen wir nicht, wir können es höchstens vermuten.

Als kulturelle Schaffensform von Kreativität und audiovisueller Darbietung bin ich persönlich davon überzeugt, dass wir sowohl bewusst als auch unterbewusst viele Dinge aus Videospielen in unser persönliches Leben mitnehmen. Historische Szenen wie die bekannte Anfangsszene aus „Call of Duty: Modern Warfare 2“ formen unseren Verstand und hinterlassen bestenfalls die Message, dass wir uns stets für die ethisch korrekte Handlung entscheiden sollten, wenn wir die Möglichkeit dazu haben.  

The Last of Us 2 Dina Ellie
© SIE/Naughty Dog

Oft beinhalten Argumentationen gegen „The Last of Us 2“ daher eine politische Dimension, wie sie beispielhaft im folgenden Kommentar auf MetaCritic zu lesen sind.

„Dieses Spiel ist nichts im Vergleich zu seinem Vorgänger. Es ist voll von Lesben, Bisexuellen, Schwulen, Transgender und Social-Warrior-Politik, die nicht in einem Videospiel enthalten sein sollte. Die Geschichte ist unterdurchschnittlich und macht überhaupt keinen Sinn. Ja die Grafik ist gut, aber es fehlt der Halt eines Meisterwerks. Es ist kein Meisterwerk, wie es andere Titel wie Battlefront 2 oder GTA 5 oder die Final Fantasy Reihe oder die Assassins Creed-Reihe sind. […]“

Negative Review auf MetaCritic zu The Last of Us

„[…] Ok um klarzustellen: Gameplay, das Visuelle, die Musik und die Grafik – alldem gebe ich eine solide 9/10. Aber .. oh Boy, es ist eine der schlechtesten Stories der Spieleindustrie. Die LGBT- und Social-Justic-Warrior-Gemeinschaft wird viel zu stark gemolken, so traurig.“

Negative Review auf MetaCritic zu The Last of Us

Braucht ein Titel wie „The Last of Us 2“ eine kritisch-politische Dimension, in der das Thema Sexualität behandelt wird? Darüber lässt sich wahrlich streiten. Offen zur Debatte steht jedoch die Frage, inwiefern Themen wie Sexualität und Minderheiten und deren Missstände in Videospielen grundsätzlich diskutiert werden sollten und müssen.

Dabei ist es in diesem Fall so ironisch. Menschen kritisieren vermehrt den Anteil sexueller (homosexueller) Handlungen in der Story. Gleichzeitig machen vor Veröffentlichung zu teils widerliche Memes die Runde im Netz.

Nudity in The Last of Us 2 Meme

Ein Bild, das offensichtlich ohne Text auskommt.

Selbst unter uns Gamern, und mag der Anteil noch so gering sein, gibt es Menschen wie den Ersteller des Kommentars weiter oben, die behaupten, dass das Behandeln von Sexualität oder anderen sozialkritischen Themen nichts in Videospielen verloren haben. Gleichzeitig teilen Fans des gleichen (!) Titels solche, zu teils, abstoßende Bilder und reduzieren eine Frau auf ihr nacktes Ebenbild. Es passt einfach schlichtweg nicht zusammen und unterstreicht eben jene Problematik umso mehr.

Kritische Themen werden mehr und mehr in den Fokus unserer alltäglichen Medien gerückt. Hashtags wie #BlackLifesMatter dominieren die Social-Media-Welt und auch die Videospielwelt fängt endlich (!) an Verantwortung in diesem Bereich zu übernehmen. Es ist das gute Recht jedes Gamers zu debattieren, ob das Behandeln solcher Themen in einzelnen Titeln Sinn macht. Dennoch mein persönlicher Appell: Hört auf Titel offen zu denunzieren, nur weil sie sich per se trauen Dinge anzusprechen. Passen die Sexszenen zu „The Last of Us 2“? Vielleicht ja, vielleicht nein. Aber es sind jene Momente, in denen sich Entwickler trauen politisch kritische Dinge anzusprechen, in denen wir die Möglichkeit haben, die Welt zu verbessern.

Persönliche Individualität mit Hate gegen The Last of Us 2

Ist „The Last of Us 2“ zu haten cool geworden? Diese Frage habe ich mir in den letzten Tagen oft gestellt und musste sie gedanklich auch oft auf unseren Corona-Alltag übertragen. Ohne diesen Kommentar überschwänglich auf eine politische Corona-Ebene zu ziehen, so bin ich offen gesagt der Meinung, dass viele Verschwörungstheoretiker unserer Zeit ihre Motivation daraus ziehen, dass sie Teil „einer besonderen Bewegung sind“. Gegen das System zu sein macht den einzelnen Bürger besonders. Man gehört plötzlich zu einer elitären, auserwählten Gruppe, die die Lügen der Politik entlarvt hat und sich ihr entgegenstellt. Dazu gehört eben oftmals auch, sich gegen die Meinung des Mainstreams zu stellen – egal wie sinnvoll sie auch erscheinen mag.

Wie eingangs beschrieben, und dies wissen die meisten von euch bereits, gehört „The Last of Us“ zu den Meisterwerken der jüngeren Vergangenheit. Kaum ein Titel polarisierte mehr und die Ankündigung einer Fortsetzung dieses Meisterwerks weckte Erwartungen, die ihresgleichen suchten. Vor einigen Tagen gingen die Reviews diverser Spieleseiten online und gaben klar zu verstehen: Der Titel ist zwar an vielen Stellen nicht perfekt, aber schafft es auch immer wieder zu begeistern. Unsere Redakteurin Cynthia fasst es schön zusammen:

„Wir sind ehrlich: „The Last of Us 2“ hat uns mit seinem authentischen Gameplay und den widerlichen Gegnern, eingebettet in die realistisch gefertigte Spielwelt und kombiniert mit der ergreifenden Story, wahrhaftig schlaflose Nächte beschert. Selten haben wir ein Spiel auf so immersive Weise und auf einem derart hohen Intensitätslevel erlebt, dass uns die Ingame-Stimmung auch noch Tage nach dem Herunterfahren der PS4 begleitet hat. […] Auch wenn sich hierbei bisweilen so etwas wie Vorhersehbarkeit oder zumindest ein bestimmtes Ablaufschema erkennen lässt, wird der Spielspaß zu keinem Zeitpunkt geschmälert.“

Unser Test zu The Last of Us 2 auf PlayCentral

Daneben kritisiert sie auch fehlende Innovationen im Gameplay und erklärt, dass der Titel an diversen Stellen nicht hundertprozentig rund ist. Mit unserer Review reihen wir uns daher in eine Reihe vieler weiterer Tests ein, die dem Titel ein hohes, qualitatives Niveau mit klaren Schwächen zuspricht.

Da sind wir also nun: Ein Meisterwerk als Vorgänger und ein Nachfolger, der zumindest in den Tests gut abschneidet. Dazu Fans, die Jahre (!) auf die Veröffentlichung dieses Titels gewartet haben. Gehört es nicht eben hier zum guten Ton genau jetzt „anders“ zu sein? Emotional auf den wunden Punkt vieler Menschen zu drücken und zu sagen, dass mich der Titel komplett kalt gelassen, ja gar enttäuscht hat?

The Last of Us 2 Marihuana
© SIE/Naughty Dog

Ich bin über dieses Thema gestoßen als ich mir die Wortwahl und Argumentation vieler Menschen auf den Social-Media-Kanälen durchgelesen habe. Emotionale Begrifflichkeiten und Flüche wie „kompletter sch**ß“ und „Was für einen K**k haben die da veröffentlicht?“ sind zwar beim Start vieler Titel absolute Normalität, treten im Kontext von „The Last of Us 2“ aber unverhältnismäßig oft auf und hinterlassen bei mir große Fragezeichen.

Ich bin ehrlich mit euch: Ich habe keine handfesten Beweise für meine These. Es ist auch viel mehr ein subjektives Gefühl. Selten stand mehr auf dem Spiel als beim Nachfolger von „The Last of Us“. Dem mittlerweile dreizehnten Ableger von „Assassin’s Creed“ ein vorzeitiges Ende zu bescheinigen – das kann jeder. Zur Gruppe dazuzugehören, die diesen Hype nicht unterstützen und sich gegen diesen absolut mächtigen Mainstream zu stellen – ist doch ganz einfach. Ein paar unkonstruktive Sätze ablassen und allen in die Suppe spucken, die dem Titel in den Kommentaren diverser Postings ein „meisterhaft“ aufdrücken wollen.

Wird der Score von The Last of Us 2 systematisch zerstört?

Wie schnell zockt eigentlich der herkömmliche Gamer und wie sehr interessiert er sich für Reviews im Internet? Die heutige Einkaufspolitik vieler Menschen lässt sich in drei Worten zusammenfassen:  Kommentare und Score. Viele von uns werden, bevor sie sich Neuanschaffungen zulegen, erst einmal fleißig auf Amazon und Co. schauen, was für Kommentare das Produkt bietet und wie viele Sterne es hat. Sie gehören ohne Zweifel zu einem der wichtigsten Instrumente der Unternehmen, um zu messen, wie zufrieden die Kunden mit dem eigenen Produkt sind. Auf jeden Fall weg mit dem Schmutz, der nur 3.9 von 5 Sternen hat. Kommentare und Meinungen sollten grundsätzlich aber nur all jene abgeben können, die sich tatsächlich mit dem Produkt auseinandergesetzt haben und auch etwas dazu sagen können.

Der Vorzeigetitel „God of War“, der im Jahre 2018 für die PlayStation 4 erschienen ist, verzeichnet Stand 21. Juni 2020 insgesamt 12.800 Bewertungen auf MetaCritic mit einem durchschnittlichen User-Score von 9.1. „The Last of Us 2“, ein Titel der offiziell am 19. Juni 2020 erschienen ist, kommt auf über 32.200 Bewertungen mit einem Durchschnittsscore von 3.5.

Fast dreimal so viele Bewertungen als „God of War“ und das innerhalb von zwei Tagen nach Release – stramme Leistung für einen Titel, der laut Entwicklerangaben eine durchschnittliche Spielzeit von rund 25 Stunden haben soll. Selbst „Star Wars Battlefront 2“ – der Titel mit dem womöglich größten Shitstorm der Videospielgeschichte – kommt mit der PlayStation 4-Variante auf insgesamt 8.200 Bewertungen.

Bringen wir es auf den Punkt: „The Last of Us 2“ wird Opfer des sogenannten Review Bombings. Dabei handelt es sich um ein Internetphänomen, bei dem User mehrfach negative Wertungen hinterlassen, um so Produkten gezielt zu schaden. Meist kommt dieses Phänomen dadurch zustanden, dass eine zumeist größere Gruppe ein kulturelles oder inhaltliches Problem mit dem angesprochenen Produkt hat.

Es fühlt sich an wie systematische Kriegsführung. Menschen opfern ihre Freizeit, um dem Titel einen negativen Stempel aufzudrücken. Allem Irrtum vorab: Ich spreche mich nicht gegen schlechte Bewertungen und Kritik aus. Gamer haben zurecht das Recht enttäuscht von der Handlung des Titels oder der fehlenden Innovation des Gameplays zu sein. Diese Zahlen geben jedoch kein faires Stimmungsbild wieder. Diese Zahlen spucken einem Entwicklerteam ins Gesicht, das offensichtlich versucht hat ein gutes Ergebnis hervorzubringen. Es hat sich keinen Fehltritt mit Mikrotransaktionen erlaubt. Es hat auch keine Militärtasche aus billigem Material in Collector’s Editions verteilt. Naughty Dog hat sich zu Schulden kommen lassen, dass sie den Geschmack einer größeren Gruppe nicht getroffen haben.

Das ist kein konstruktiver Diskurs zwischen Gamern und Entwicklern. Es ist eine auf Emotionen basierte Kampfhandlung, die schlichtweg barbarisch ist. Für eine Community, der ich mich zugehörig fühle, ganz nebenbei ein absolutes Armutszeugnis.

Zum Schluss bleibt die Nachsicht

Ist „The Last of Us 2” ein Meisterwerk? Ich weiß es immer noch nicht, schließlich habe ich es nicht gespielt. Was ich jedoch weiß ist, dass wir „Gamer“ aktuell vielerorts dabei sind ein absolut desaströses Bild von uns selbst zu vermitteln:

„Sexualität hat in Games nichts verloren! Kritisieren nur um des Kritisierens willen ist gut! Euer Score ist niemals sicher!“

Fakt ist, dass „The Last of Us 2” euch nicht das Geld per Mikrotransaktionen aus der Tasche zieht. Es hat sich keinen krassen Fauxpas geleistet. Es hat diesen verbalen Hass auf objektiver Ebene schlichtweg nicht verdient. Im schlimmsten Fall wurde dieses Produkt kreativer Arbeit euren Ansprüchen nicht gerecht, was euch wiederum das Recht gibt, die fehlerhaften Punkte offenzulegen und transparent zu machen – macht Gebrauch von diesem Recht. Es ist euer wertvollstes Werkzeug, um zu signalisieren, ob jemand überzeugende Arbeit abgeliefert hat oder nicht. Es ist jedoch unsere verdammte Pflicht dabei stets auf einen humanen Ton zu achten. Videospiele kommen von Menschen für Menschen und jetzt, genau in diesem Moment, spuckt der eine Mensch dem Anderen voll ins Gesicht!

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