Mit Detroit: Become Human haben David Cage und sein Team einen weiteren interaktiven Film für die PS4 veröffentlicht, der sich vieler bekannter Mechanismen vorheriger Spiele des Pariser Studios bedient, dabei aber deutlich konsequenter erscheint. Wir haben uns in die futuristische Großstadt Detroit gewagt und die Handlungsstränge der drei spielbaren Androiden erlebt. Für wen der Titel unbedingt zu empfehlen ist und wer vielleicht doch lieber die Finger von dem Spiel lassen sollte, klären wir in unserem umfangreichen Test. Wenn Androiden Gefühle entwickeln Vor sechs Jahren veröffentlichte das französische Entwicklerstudio Quantic Dream eine Tech-Demo für die PlayStation 3, die sich rund um einen Androiden dreht und die Möglichkeiten der neuen Engine präsentieren sollte. Im Fokus der Demo steht die namensgebende Kara, die sich in einem Gewissenskonflikt befindet und einen eigenen Willen entwickelt. Das genutzte Motion-Capturing-Verfahren, die Grafik sowie die emotionale Inszenierung sorgten bereits damals für erstaunte Gesichter. Die Demo rief bei vielen Spielern den Wunsch hervor, Kara in einem fertigen Spiel als Protagonistin steuern zu können. Detroit: Become Human bei Amazon kaufen!* Genau diesen Wunsch hat Quantic Dream nun mit dem interaktiven Drama Detroit: Become Human in die Tat umgesetzt. Der PS4-Exklusivtitel spielt in der futuristisch angehauchten amerikanischen Großstadt Detroit im Jahre 2038. Paketdrohnen, selbstständig fahrende Busse und hochentwickelte Androiden beherrschen das Stadtbild und sind Teil des normalen Lebens geworden. Das Unternehmen CyberLife hat bereits Millionen Exemplare der Androiden ausgeliefert, die sämtliche alltägliche Aufgaben erledigen und den Menschen dadurch ein angenehmeres Leben ermöglichen. Allerdings währt die Freude darüber nur kurz, schließlich verlieren immer mehr Menschen ihre Jobs und entwickeln deshalb eine gewisse Abneigung gegen die neue Spezies, die einen Teil ihres Lebens übernommen hat. Die Situation beginnt aus dem Ruder zu laufen, als einige als Abweichler bezeichnete Androiden ihren eigenen Willen entwickeln, ihre programmierten Grenzen durchbrechen und sich auf eine Rebellion gegen die menschlichen Sklaventreiber vorbereiten. Das gewohnte Quantic Dream-Prinzip Hier setzt Detroit: Become Human an und lässt uns abwechselnd in die Rolle von drei unterschiedlichen Androiden schlüpfen. Während Markus als Altenpfleger bei einem wohlhabenden Künstler arbeitet, sorgt Kara als Haushälterin bei einem drogenabhängigen und alleinerziehenden Vater für Ordnung. Connor hingegen ist ein Spezialermittler, der bei der Suche nach Abweichlern eingesetzt wird. Alle drei Androiden sind in ihrer Erfahrung und damit auch der Denkweise einzigartig und erlauben unterschiedliche Sichtweisen auf die aktuelle Lage. Spielerisch erinnert das Spiel bereits zu Beginn an die vorherigen Werke von David Cage und Quantic Dream - Fahrenheit, Heavy Rain und Two Souls - und bietet eine cineastisch präsentierte Geschichte, die durch eure Entscheidungen Konsequenzen nach sich ziehen wird. Besonders spannend wird der Titel durch die Tatsache, dass jeder der drei Protagonisten im Spielverlauf sterben kann und dadurch in späteren Kapiteln nicht mehr zur Verfügung steht. Ihr werden dadurch permanent und des Öfteren sogar unter Zeitdruck zu einer bestimmten Vorgehensweise oder einer entsprechenden Dialogoption getrieben. Hinweis: Dieser Beitrag ist keine bezahlte Werbung. Bei allen Links zu Amazon handelt es sich um Affiliate-Links. Wir erhalten für jeden darüber erfolgten Kauf eine kleine Provision - ohne, dass ihr einen Cent mehr bezahlt.* Die Qual der Wahl Gameplaytechnisch ist Connor mit Abstand der interessanteste Charakter. Schließlich stehen dem Ermittler spezielle technische Hilfsmittel zur Verfügung, auf die Menschen nicht zurückgreifen können. So lassen sich wichtige Indizien oder interagierbare Objekte dank Raumscanner recht einfach finden. Wie bereits in der kostenlosen PS4-Demo demonstriert, können begangene Morde von Connor außerdem digital rekonstruiert werden, wodurch sich neue Erkenntnisse ergeben. Je nachdem wie viele Indizien wir finden, eröffnen sich unterschiedliche Wege und Lösungsmöglichkeiten. Denn genau hier liegt die größte Stärke von Detroit: Become Human. David Cage hat mit seinem Team ein mehrere tausend Seiten langes Skript entwickelt, das für viele unterschiedliche Situationen sorgen soll. Da viele freischaltbare Wege im ersten Durchgang übersehen werden, präsentiert sich am Ende eines jeden Kapitels ein komplexes Ablaufdiagramm, das uns alle Möglichkeiten übersichtlich veranschaulicht. Zwar nimmt dieses Features auch ein Stück weit die Immersion sowie die Spannung des Spiels, wir haben uns allerdings regelmäßig dabei erwischt, wie wir minutiös die anderen möglichen Optionen durchgegangen sind. Außerdem lassen sich Prozentangaben hinzuschalten, wie sich eure Freunde oder Spieler weltweit entschieden haben. Welche Rechte hat ein Roboter? Ein zweiter Durchgang ist bei Detroit: Become Human also eigentlich schon fast Pflicht, gerade weil die getroffenen Entscheidungen, anders als bei Life is Strange, nicht nur Schein sind. Oft wirken sich diese gravierend auf folgende Kapitel und sogar das Ende aus. Stellt euch dieses nicht zufrieden, könnt ihr einen weiteren Spieldurchgang wagen oder im Hauptmenü zu wichtigen Schlüsselmomenten zurückspringen. Auswirkungen auf spätere Geschehnisse hat außerdem die Beziehung der Protagonisten zu anderen wichtigen Charakteren in der Spielwelt. Stehlen wir zum Beispiel Geld aus der Kasse eines kleinen Supermarktes, wird die Aktion von unserer kleinen Begleiterin Alice entsprechend kommentiert, während der Sympathiewert sinkt. Es liegt also völlig am Spieler, wie man sich entscheidet und somit indirekt die Persönlichkeit der Androiden formt. Allerdings kamen während unseres Tests immer wieder moralische Bedenken auf. Stehlen wir nun Kleidung und Geld, damit Alice die Nacht nicht mit nassen Klamotten in einem alten Auto, sondern in einem Motel verbringen kann? Töten wir einen Androiden für funktionstüchtige Ersatzteile, obwohl dieser ausdrücklich am Leben bleiben möchte? Fügen wir uns dem Befehl unseres Besitzers und verharren auf der Stelle, während dieser seine Tochter schlägt? Immer wieder müsst ihr euch entscheiden, was nun richtig ist und ihr stellt euch die Frage, welche Rechte einem Android eigentlich zustehen. Schließlich handelt es sich dabei doch nur um einen Blechhaufen ohne Gefühle oder eigene Bedürfnisse. Oder sind Androiden wirklich Sklaven, eine unterdrückte Spezies, die ein Recht auf Leben hat? Moderne Gesellschaftskritik Das grundsätzliche Setting von Detroit: Become Human könnte besser nicht sein. Regelmäßig wird dem Spieler ein Spiegel der heutigen Gesellschaft vorgehalten. Womöglich werden wir uns in 10, 20 oder 30 Jahren mit ähnlichen moralischen und ethischen Fragen beschäftigen. Doch auch aktuelle Themen wie der derzeit heiß diskutierte Datenschutz wird in digitalen Zeitschriften, die überall in der Spielwelt zu finden sind, aufgegriffen. Was passiert schließlich mit den Daten, die von den Androiden verarbeitet und gespeichert werden? Nutzt das zuständige Unternehmen CyberLife diese sensiblen und personenbezogenen Daten für eigene Zwecke? Das wissen die Menschen in dem Spiel nicht und trotzdem werden die Androiden mit sämtlichen Aufgaben betreut. Selbst Zahlungen können von den künstlichen Stadtbewohnern innerhalb von Sekunden durchgeführt werden, eine Absicherung gegen Missbrauch gibt es hingegen scheinbar nicht. Doch nicht nur alltägliche Aufgaben werden von den Androiden erfüllt. Selbst im Sport setzt man diese ein – ebenfalls zum Ärger vieler Bürger. Während in unserer heutigen Welt immer wieder Diskussionen rund um Dopingvorfälle im Sport stattfinden, wird in der Welt von Detroit: Become Human darüber diskutiert, ob Androiden mit übermenschlichen Fähigkeiten in Sportarten wie Baseball nicht verboten werden sollten. Der stattfindende bzw. sich entwickelnde Konflikt zwischen Menschen und Androiden wird im Spiel durch einige symbolträchtige Bilder demonstriert, die nachdenklich machen und unweigerlich an Rassismus innerhalb des dritten Reiches erinnern - obwohl es „nur“ Roboter sind. (Doch ab wann ist ein Mensch, ein Mensch? Wann wäre ein Roboter ein Mensch?) So gibt es in den Bussen abgetrennte Abteile für Menschen und Androiden. Klischeedenken Problematisch ist hier lediglich, dass Quantic Dream die Sozial- und Gesellschaftskritik nicht nur dezent in das Spiel integriert hat, sondern diese dem Spieler an wirklich jeder Ecke vor die Nase gesetzt wird. Zeitungen und Magazine kennen keine anderen Themen, gefühlt jeder Mensch tritt den Androiden entweder misstrauisch oder gleich gewalttätig gegenüber und viele Dialoge oder Handlungen sind vorausschaubar. Vor allem die Charaktere wirken oft sehr stereotypisch, berechenbar und wirklich nur für einen bestimmten Plot in das Spiel integriert. Der Vater, der seine Tochter schlägt, ruft bei dem Großteil der Spieler selbstverständlich Mitleid in Verbindung mit Ärger hervor. Solche Momente sind von Quantic Dream allerdings bewusst inszeniert, um eben eine bestimmte Emotion bei dem Spieler hervorzurufen und diesen mit allerhand moralischen Fragen zu konfrontieren und zum Handeln zu bewegen. Film oder Spiel? Die wohl größte Kritik an den David Cage-Spielen sind seit Fahrenheit die stark beschränkten Gameplay-Möglichkeiten. Der Fokus lag schon immer auf den Charakteren, einer emotionalen Story sowie verschiedenen Dialogoptionen, die den weiteren Handlungsverlauf beeinflussen können. Streng genommen ändert Quantic Dream an diesen festen Säulen nur wenig und vertraut lieber auf die bekannten Stärken. Trotzdem gibt Detroit: Become Human dem Spieler in Bezug auf das Gameplay deutlich mehr Interaktionsmöglichkeiten an die Hand. Fehlen darf natürlich auch das obligatorische Knöpchendrücken bei Quicktime-Events nicht. Diese solltet ihr allerdings zu jeder Zeit ernst nehmen, ansonsten könnte einer eurer Roboter-Lieblinge vorab das Zeitliche segnen. Coole Idee: Um Seiten umzublättern, könnt ihr mit eurem Finger über das Touchpad des PS4-Controllers wischen. Ein eng geschnürtes Korsett Abseits der Entscheidungsfreiheit wirken die Level regelmäßig wie ein eng geschnürtes Korsett, das eher als Mittel zum Zweck dient. Sonderlich viel Bewegungsfreiraum haben wir so gut wie nie. Besonders zu Beginn fällt dies stark auf, als wir mit Markus einkaufen sind und uns eine transparente Levelbegrenzung, nur wenige Meter neben dem vorgegebenen Weg, am Weitergehen hindert. Alte Schwächen, ... Wirklich nervig kann die hakelige Steuerung in Kombination mit der störrischen Kamera sein. Immer wieder verlieren wir dadurch die Orientierung, drehen uns unkontrolliert im Kreis oder bleiben an Objekten hängen. Ein Problem ist dabei die fehlende Übersicht. Zwar können wir die Perspektive der Kamera auf Knopfdruck ändern, wichtige Objekte oder Räume können so aber schon mal übersehen werden. ... bekannte Stärken Passend zu der gelungenen Inszenierung verhält sich auch die audiovisuelle Umsetzung. Die Vertonung ist auf Englisch aber auch auf Deutsch absolut gelungen, während die Soundkulisse und die Musikuntermalung genauso weit oben angesiedelt sind. Sie ergänzen den Titel in emotionaler Hinsicht perfekt. Das detaillierte und futuristische Detroit sowie das Design aller weiteren Schauplätze ist den Entwicklern außerordentlich gut gelungen. Ins Auge stechen vor allem die Licht- und Wettereffekte sowie die Charaktermodelle, die durch Motion Capturing nahezu echt aussehen. Vor allem die Gesichter der Protagonisten lassen jegliche Regung erkennen und wirken dadurch realistisch. Damit hat Quantic Dream das Niveau der Darstellung und Inszenierung von Videospielcharakteren auf eine neue Stufe gehievt.