Mit Kingdoms of Amalur: Reckoning möchte Electronic Arts in diesem Jahr den Rollenspiel-Thron erobern. Doch die wichtige Frage ist: Kann das Rollenspiel der 38 Studios wirklich mit Spielen wie The Elder Scrolls V: Skyrim mithalten? Kingdoms of Amalur: Reckoning bedient sich zumindestens an bekannten Spielemarken wie Fable, Darksiders und Dragon Age. In unserer ausführlichen Review sagen wir Euch, was wir von der neuen Rollenspiel-Hoffnung EA's halten und ob Kingdoms of Amalur: Reckoning wirklich das Zeug dazu hat, das „Rollenspiel des Jahres“ zu werden.
Im Land der lebenden Toten
Kingdoms of Amalur: Reckoning ist ein Action-Rollenspiel durch und durch. So ist es nicht verwunderlich, dass Electronic Arts mit einer gut erzählten Storyline den Spieler lange an den Bildschirm fesseln möchte. Doch die Frage, ob Kingdoms of Amalur: Reckoning genügend Abwechslung in allen Belangen bietet, ist berechtigt. Der Beginn jedenfalls ist relativ „Rollenspiel-typisch“: Zwei Zwerge schieben unseren scheinbar leblosen Körper in einen Leichenofen. „Er sieht noch relativ lebendig aus“, sagt einer der beiden Zwerge, woraufhin sie uns von der klappernden Holzpritsche in den Ofen rutschen lassen. Wie gut, dass wir nicht der einzige Leichnam an diesem Tag sind, denn so besteht für uns die Möglichkeit zur Flucht. Nach einer kurzen Sichtung des Schauplatzes wird klar: Wir waren schon tot, wurden aber durch irgendeine magische Kraft wieder zurück ins Leben geholt.
Die ersten Spielminuten verbringen wir damit, unseren Charakter zu individualisieren. Der Charaktereditor ist dabei relativ umfassend und man bekommt viele Einstellungsmöglichkeiten geboten. Ähnlich wie in The Elder Scrolls V: Skyrim (2011 / Bethesda Softworks) können wir zunächst das Geschlecht und anschließend die Klasse auswählen. Jedoch ist Kingdoms of Amalur: Reckoning, zumindestens von den Talenten und Fertigkeiten her, kein durchschnittliches Rollenspiel. Talente werden nach und nach entwickelt und können, je nach Spielweise, verschieden miteinander kombiniert werden – dazu später mehr. Zunächst verpassen wir unserem Charakter noch einige Merkmale. Eine nette Kriegsbemalung über den Augen, ein fescher Oberlippenbart und ein breiter Oberkörper zieren unseren Alter Ego. Nachdem wir den neuen Charakter nach unseren Vorstellungen kreiert haben, beginnt auch schon dasTutorial, welches Euch die Grundlagen des Kampfes und der Steuerung lehrt.
Almani? Ljósálfar? Varani?
Bevor wir gleich zu den Talenten und Fertigkeiten Eures Charakters kommen, nochmal ein kleiner Einwand bezüglich der einzelnen Charakterrassen. Wie jedes Rollenspiel bietet auch Kingdoms of Amalur: Reckoning einige vorgefertigte Rassen, genauer gesagt vier an der Zahl. Je nach Wahl erhaltet ihr zusätzliche Boni auf verschiedene Fertigkeiten, welche Euch im späteren Spielverlauf noch nützliche Dienste erweisen können. Die „Almani“ besitzen zum Beispiel besonders gute Schmiedekünste, welche euch dabei helfen können, einzigartige und besonders gute Waffen herzustellen. Die Varani hingegen sind besonders talentiert im Handel mit anderen NPCs, weshalb sie Gegenstände in den einzelnen Dörfern zumeist zu besonders günstigen Preisen erhalten. Die Ljósálfar kennen sich besonders gut mit der Kräuterkunde sowie Alchemie aus, weshalb sie sich selbst im Handumdrehen Tränke selbst herstellen können. Zu guter Letzt wären da noch die Dokalfar, welche als Dunkelelfen eher aus dem Hinterhalt und aus der Ferne angreifen und besonders mit Pfeil und Bogen umzugehen wissen. Egal für welche Rasse Ihr euch auch entscheidet: Es handelt sich bei dieser Auswahl sowieso nur um eine Übergangslösung.
Magie in einem Rollenspiel? Nicht mit uns!
Kommen wir nun zu den verschiedenen Talenten und Fertigkeiten, welche wir in Kingdoms of Amalur: Reckoning ausbilden können. Ähnlich wie in anderen Genre-Konkurrenten sind die Talente in drei Oberkategorien verteilt: Magie, Raffinesse und Zauberkraft. Eher Rollenspiel-untypisch ist die Tatsache, dass wirklich starke und effektive Magie-Fertigkeiten erst im späten Spielverlauf verfügbar werden. Einige Zauber wie etwa der „Kettenblitz“ oder der „Sturmwind“ sind zu Anfang eher zur Unterstützung der Party und weniger zur Bekämpfung der fiesen Kreaturen gedacht. Solltet Ihr euch also für den Pfad eines Magiers entscheiden, müsst Ihr zwangsweise zu Beginn auf den Kampf mit Schwert oder anderen Waffen setzen, da Zauber wie etwa ein Meteoritenhagel oder ein Fegefeuer erst spät verfügbar gemacht werden.
Viel effektiver sind da die einzelnen Waffenverbesserungen. So können wir unserem Schwert mit einigen Rezepten zum Beispiel extremen Feuerschaden ermöglichen, welcher Feinde wie aus Zauberhand in Flammen aufgehen lässt. Wer sich für einen Dunkelelfen und damit auch für den Kampf mit Pfeil und Bogen entschieden hat, der kann mit steigender Erfahrung mehrere Pfeile aufeinmal oder brennende Feuerspitzen auf seine Feinde jagen. Etwas unausbalanciert wirkt der Kampf mit Zweihandwaffen. Zwar können diese auch modifiziert werden, jedoch haut der Charakter, egal welche Charakterrasse man gewählt hat, relativ oft daneben, wodurch viel Effektivität sowie Spielspaß verloren geht. Außerdem werden Schläge mit Zweihandwaffen öfter geblockt als die mit Einhandwaffen, wodurch die Option eines Langschwertes oder einer großen Kriegsaxt eher unbedeutsam ist.
Hier zehn Waffen, dort fünf Rüstungen: Immer her damit!
Kingdoms of Amalur: Reckoning möchte es mit den ganz Großen des Rollenspiel-Genres aufnehmen. Ein weiteres Indiz dafür ist die große Vielfalt der einzelnen auffindbaren Gegenstände. Fast minütlich findet man neue Items, welche man in dieser Art und Weise vorher noch nicht gesehen hat. Egal ob Rüstungen, Waffen oder andere Ausrüstungsgegenstände: Man findet immer einen Gegenstand, welcher den eigenen Charakter verbessert. Besonders praktisch: Wir dürfen fast doppelt so viele Items einsammeln wie zum Beispiel in The Elder Scrolls V: Skyrim. Über die schlicht gehaltenen Auswahlmenüs rüsten wir unseren Ego per Knopfdruck mit Handschuhen, Schuhen, Rüstungen oder Waffen aus und können dabei sogar noch die Aktionstasten des Gamepads belegen (auf dem PC die Tasten 1-9). Wer also ein simples Rollenspiel ohne großes Menü-Wirrwarr sucht, der wird bei Kingdoms of Amalur: Reckoning auf jeden Fall fündig!
Kingdoms of Risen: Darksiders
Simpel trifft übrigens auch auf die Steuerung von Kingdoms of Amalur: Reckoning zu. Mit relativer Leichtigkeit besiegen wir die ersten angreifenden Gegner. Dazu verwenden wir eine schnelle Kombination aus Nah- und Fernkampf. Während wir kleinere Gegner im Nahkampf niederschmettern, besiegen wir einen riesigen Troll mit besagter Kombination. Noch bevor der Riese uns packen kann, weichen wir ihm mit einem Rollmanöver aus und feuern dabei einige Feuerpfeile in seinen monströsen Körper. Anschließend folgen weitere Ausweichmanöver und im Handumdrehen ist auch der größte Troll vor unserem modifizierten Einhandschwert nicht sicher. Was jetzt noch relativ einfach klingt, wird im späteren Spielverlauf zur richtigen Herausforderung. Auch die gegnerischen NPCs lernen dazu und weichen stets euren Schlägen oder Kombos aus, woraufhin ihr wiederrum mit einer Kombi kontern müsst. Ein bisschen Risen, ein bisschen Darksiders sowie einige verbesserte Feinheiten und schon ist das Gameplay von Kingdoms of Amalur: Reckoning erklärt. Nicht wirklich innovativ, aber es funktioniert und macht Spaß!
Eine schlüssige, zusammenhängende Spielwelt
In einem Rollenspiel gibt es im Bereich der Spielwelt beziehungsweise der technischen Seite immer mindestens zwei überlebensnotwendige Anhaltspunkte. Zum einen: Wie abwechslungsreich wurde die Spielwelt gestaltet? Und zum anderen: Wie kommt die Erzählweise der Geschichte rüber? Nun, Kingdoms of Amalur: Reckoning bietet eine riesige, in sich vollkommen schlüssige Spielwelt. Anders als in „Skyrim“ von Bethesda weiß man in der gesamten Provinz Amalurs über das drohende Unheil bescheid. Auch Abwechslung ist ein gutes Stichwort, denn in „Amalur“ durchstreifen wir nicht nur düstere Minen oder Dungeons, sondern auch hübsche Wälder und malerisch offene Gelände. Nur schade, dass unter der riesigen und frei begehbaren Spielwelt die Mimik und Gesten der NPCs leiden mussten. Diese wirken gekünstelt und viel zu steif. Die Synchronstimmen sind weit über dem Durchschnitt und können durchaus für starke Stimmung sorgen, was übrigens auch für den Soundtrack gilt. Das Gesamtpaket der Amalur-Technik kann sich zwar sehen lassen, bleibt aber, gerade nach einem Titel wie The Elder Scrolls V: Skyrim, leicht hinter den Erwartungen zurück.