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Games: Eine Debatte, die kein Mensch braucht

Von Christian Liebert - Kolumne vom 15.05.2014 13:14 Uhr

Ich weiß gar nicht mehr, ich glaube, das erste Mal habe ich Ende der 1990er einen Bericht über die Gefahr von Gewalt in Computerspielen gesehen. Mit dem Siegeszug von World of Warcraft kamen dann später auch die Hinweise auf das Suchtpotenzial von MMORPGs mit dazu. Nun, mittlerweile 2014, sendet ZDFinfo eine Diskussionssendung über genau diese beiden Kernthemen und ich merke schmerzlich, dass sich an den Argumenten in weit über 10 Jahren wenig geändert hat. Am verheerendsten aber ist, dass die Gegenseite immer noch von Leuten vertreten wird, die selbst noch nie ein Game wirklich gezockt haben. Trampeln die Kritiker seit 30 Jahren auf der Stelle? Anscheinend schon, denn genauso durchgekaut wurde die Diskussion geführt, deren Ende mit 99 Prozent für Fabian Siegismund wohl mehr als eindeutig ausfiel. Ein Sieg für die Gamerpartei also, aber mal ehrlich: Brauchen wir so eine Debatte überhaupt noch?

Immer dieselbe alte Leier

2014 scheint ein Thema in der deutschen Gesellschaft immer noch brandaktuell zu sein: gewaltverherrlichende Videospiele. Meine Hoffnungen, dass wir über diesen Punkt mal hinaus seien, sind leider immer wieder vergebens. Dabei wurden doch so gut wie alle Argumente schon in unzähligen Diskussionen immer wieder durchgekaut. Auf der einen Seite betont man die Lernfähigkeit durch Videospiele und die Tatsache, dass die Zahl an damit erschaffenen Amokläufern erschreckend gen null tendiert, in der anderen Ecke warnt man vor dem Sinken der Hemmschwelle, auf seine Mitmenschen zu schießen. Auch ZDFinfo meinte nun, am Zahn der Zeit gnadenlos vorbei, genau diesen Stoff aufgreifen zu müssen, damit auch sie mal darüber gesprochen haben. Eine Stunde lang lieferten sich Fabian Siegismund („Der Gamer“) und Sabine Schiffer (Medienpädagogin) eine faire Diskussion, in der sie ihre Meinungen verteidigten. Unterstützt wurden sie dabei von Dr. Linda Breitlauch (Professorin für Game Design) und Dr. Christoph Möller (Chefarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie). Während es anfangs noch um den Deutschen Computerspielepreis und die Frage ging, ob man „Killerspiele“ denn überhaupt nominieren und mit einem Preis beglücken dürfte, driftete die Richtung sehr schnell in die üblich verdächtigen Themen ab. Schade, hier hätte die Sache spannend werden können!

Nach über einer Stunde, und einem glatten Sieg für Fabian laut Zuschauermeinung (99%), frage ich mich nun: „Und was hat das Ganze nun gebracht“? Nach knapp 30 Jahren, in denen es Videospiele nun gibt, schafft man es in solchen Runden nicht, neue Ansätze oder Argumente vorzubringen. Ständig werden die alten Kalauer ausgepackt und erneut vorgetragen, als hätte man sie gerade frisch gebacken. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass sich die Fraktion der Gamer grundsätzlich in der Position des Verteidigenden befindet. Das Schärfste an der Sache ist, dass die Gegner des Spielens selbst nie wirklich mit diesem Genre in Kontakt getreten sind. Wie will man über etwas eine gefestigte Meinung haben, die man öffentlich breittritt, ohne zuvor selbst damit in Kontakt gekommen zu sein? Wie schaffen es Spezialisten wie Dr. Christoph Möller eigentlich ihren Beruf auszuführen, ohne mit dem „Übel“ selbst Erfahrung zu haben? Das wäre quasi so, als würde ich über die Qualität von Autos urteilen, ohne selbst mal eins von innen gesehen zu haben.

Frau Schiffer will diese Kritik, die sie bestimmt schon oft gehört hat, mit dem lapidaren Spruch: „Ich weiß, jetzt kommt wieder das Beispiel, wer noch kein Buch geschrieben hat, darf auch nicht darüber sprechen“ wettmachen, aber die Sache hakt gewaltig. Es stimmt, ich muss kein Videospiel entwickelt haben, um darüber zu sprechen. Aber wenigstens mal ein paar Ableger gespielt zu haben, das sollte doch schon drin sein, wenn ich dazu eine fundierte Meinung vertreten will. Exakt dies vermisse ich eben immer in diesen Debatten.

Große Teile der Diskussion waren letztendlich das altbekannte hin und her zwischen zu viel Gewalt und der Wahrnehmung dieser. Natürlich ist die Macht von Gewaltsimulationen nicht zu verachten, aber das Kernproblem ist in meinen Augen ein anderes. Niemand oder nur sehr wenige stellen öffentlich die Frage der Rolle der Eltern. Natürlich, immerhin haben wir eine familienfreundliche Politik, in der Eltern als letzte Instanz selten ins Gericht geraten. Fakt ist aber, dass viele Mütter und Väter so viel Ahnung von den Games, die ihr Nachwuchs da so zockt, haben, wie ich vom Briefmarkensammeln. Dies liegt einfach im nicht existierenden Interesse. Hier spreche ich aus Erfahrung, denn bei meinen Eltern war dies genauso. Aber gerade hier muss die Revolution stattfinden, in der diese Punkte viel besser geklärt werden können. Da hat Frau Schiffer sogar Recht, denn mit Verboten löst man keine Probleme, sondern eher im Dialog. Wenn Eltern wissen, was da auf den Bildschirmen passiert und wie Kinder darauf reagieren, können sie sich die Frage stellen: Ist es wirklich gut, dass mein Kind gerade Menschen erschießt? Hier liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Natürlich ist „FSK 18“ für viele kein Hindernis, aber es ist nicht die Schuld der Spieleindustrie, dass diese Sperren durchbrochen werden. Das Desinteresse vieler Eltern sorgt in meinen Augen dafür, dass Kinder Dinge sehen, die nicht für ihre Augen bestimmt sind.

Die Sache mit der Spielsucht

Was mich persönlich ebenfalls sehr gestört hat, war die Verteufelung von Onlinebekanntschaften als Realitätsflucht. Ist es denn so schlimm, wenn sich Jugendliche, die sonst keinen Anschluss finden, Freunde im Internet suchen? Manchmal kommt es mir so vor, als ginge man davon aus, dass alle Menschen in riesigen Städten leben, wo Freunde an Bäumen wachsen. Gerade das Internet hat es doch erst möglich gemacht, dass wir uns von räumlichen Barrieren trennen und neue Bekanntschaften auf der ganzen Welt machen können. Es ist auch nicht schlimm, wenn ein Mensch dann einen Großteil seiner Freizeit in Onlinespielen verbringt. Wenn ich nun mal keine andere Möglichkeit habe, die für mich selbst infrage kommt, dann suche ich mir eben meine Zugehörigkeit, wo ich sie will. Das ist nichts anderes, als wenn man sich in einem Jugendklub heimisch fühlt und seine Zeit dort verbringt. So modern müssen wir doch sein. Auch die virtuelle Realität ist eine Form der Realität und für manche ist es sogar besser in einem MMORPG abzuhängen, als sich aus Frust oder Langeweile mit den „coolen Alkis im Park“ zu treffen, was das soziale Leben in etwa genauso schädigt, wie es Soziale Netzwerke und Onlinegames angeblich tun.

Sicherlich mag es stimmen, dass man dabei die Prioritäten des Lebens aus den Augen verlieren kann. Aber das ist genauso auch möglich, wenn man ein fanatischer Briefmarkensammler oder Fußballfan ist. Es auf das Internet oder Videospiele zu reduzieren, zeigt nur, wie Probleme des Alltags, die schon seit Beginn der Menschheit existieren, auf dieses Medium abgewälzt werden. Ebenso die gerne kritisierte Langzeitmotivation mancher Games, Spieler möglichst festzubinden. Dieser Drang in der Gesellschaft, so wenig Zeit wie möglich mit neuen Medien zu verbringen, zeigt doch schon, wie hier permanent zweierlei Maß genommen wird. Da fand ich das Beispiel von Fabian: "Hätte er Fußballspielen anstatt Counter-Strike gesagt, hätte im Publikum niemand gekichert" wie den Nagel auf den Kopf getroffen. Hat sich eigentlich einmal jemand darüber beschwert, dass einige Menschen ihr ganzes Leben der Erforschung der Werke Goethes widmen? Nein? Ganz klar, denn das ist ja auch Kultur und genau hier liegt der Hund begraben. Wir schaffen es immer noch nicht, Videospiele als Kultur anzusehen. Daher reden wir den Bildungsgrad herunter, dramatisieren die möglichen Probleme (die von Leuten angeprangert werden, die Games selbst nur aus Präsentationen und Studien kennen!) und behaupten einfach weiter, dass die Erde eine Scheibe ist.

Peinliche Moderation

Kam es mir eigentlich nur so vor, oder waren die beiden Moderatoren nicht ganz unparteiisch? Gerade die unterschwelligen, aber oft spitzen Kommentare von Wolf-Christian Ulrich in Richtung der Gamer-Fraktion waren nicht zu übersehen. Auch das Beispiel aus dem Publikum, der "dicke Junge", war natürlich wieder treffend gewählt, um das Bild des Videospielers zu prägen. Bitte nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen den Jungen oder sein Outfit, aber es war einfach wieder so passend, nach welchen Klischees hier ausgewählt wurde. Nett fand ich auch das keine Reaktion zeigen, als besagter Junge dann meinte, dass er echte Freunde vor Internet stellt. Wurde hier ein anderer Kommentar erwartet oder gar erhofft? Den Vogel aber schoss Sandra Rieß nach der Verkündung des eindeutigen Ergebnisses ab, dass dies natürlich nur daran lag, dass so viele Gamer zuschauen. Ganz genau, daran muss es gelegen haben. Bestimmt aber nicht an der nicht mehr zeitgemäßen Meinung der beiden Nicht-Spieler, bei denen zumindest Frau Schiffer die meiste Zeit mit einem hämischen Grinsen verbracht hat und ich bis am Ende aus ihren vielen Ansätzen nicht mal eine klare Meinung herausfiltern konnte.

Zurück in die Vergangenheit

Wir, damit meine ich die Gesellschaft, bewegen uns keinen Meter nach vorne, eher trampelt man lieber auf der Stelle und singt die alten Lieder. Diese Diskussion unterschied sich in keinem Punkt von den Hunderten, die ich bereits gesehen habe und ich frage mich, wie oft ich mir diese Suppe noch antun muss. Es tut mir wirklich leid, für Fabian Siegismund und Dr. Linda Breitlauch, die uns wirklich toll vertreten haben, aber die von ZDFinfo gezeigte Diskussion „Ballern, zocken, blechen: Sind Games wirklich nur ein Spiel?“ ist genau derselbe Mist, der zu diesem Thema schon seit Anbeginn der Zeit präsentiert wird. Die Debatte hat absolut nichts gebracht, weil erneut am Ende das Gefühl aufkam, dass keine Seite etwas dazugelernt hat.

Ich persönlich halte es da mit Professor Siegfried Zielinski, der diese Frage einst damit abschmetterte, dass dieses Thema total langweilig sei und man gleiche Argumente schon bei der Einführung des Fernsehens gehabt hätte.

Den Beitrag könnt ihr euch hier, in der Mediathek von ZDFinfo, anschauen.

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