PLAYCENTRAL TESTS Hellblade: Senua’s Sacrifice

Hellblade: Senua’s Sacrifice: Ein unvergessliches Opfer – unser Test

Von Ben Brüninghaus - Test vom 20.08.2017 15:37 Uhr

Hellblade: Senua's Sacrifice steht derzeit unter den Top 10, der meist gekauften Spiele auf Steam. Der Titel wirft euch in ein Szenario der etwas anderen Art und möchte mit seiner erzählerischen Tiefe überzeugen. Wir haben uns in das schwerwiegende Abenteuer rund um Senua gestürzt und verraten euch in unserem folgenden Test, was wir von dem Action-Adventure halten. 

Hellblade: Senua's Sacrifice zählt zu den Titeln, die im Vorfeld kaum ein Spieler auf der Rechnung hat, bis sie schließlich veröffentlicht werden und in einem athletischen 100-Meter-Lauf die Spitze der Charts erklimmen. Das Action-Adventure mit dem Fokus auf erzählerische Tiefen des menschlichen Daseins wurde am 8. August 2017 für die PlayStation 4 und den PC veröffentlicht. Es wirft euch in ein Setting, das sich im Kern mit der nordischen Mythologie auseinandersetzt. Fundamentale Fragen rund um die Existenz werden hier in ein etwas anderes Licht gerückt, wo keines zu sein scheint. Zurecht stellen sich viele Interessenten nun die Frage, was hat der neueste Titel aus dem Hause Ninja Theorie zu bieten?

Die Entwickler sind für Werke wie Heavenly Sword, Enslaved: Odyssey to the West oder gar Devil May Cry aus dem Jahre 2013 verantwortlich. Diese Spiele verbindet ein narrativer Hintergrund, die seitens der Fachpresse und der Spieler immer hoch im Kurs standen. Und obgleich das Reboot der Devil May Cry-Serie bei vielen Spielern in Bezug auf den jungen, übercoolen Dante auf rollende Augen stieß, machen die Entwickler insbesondere hier einen Sprung, wie er weiter nicht sein könnte. Mit Hellblade lassen die geistigen Köpfe einmal mehr die buchstäbliche Hölle, wie wir sie aus Dantes Inferno vom italienischen Dichter Dante Alighieri (1265-1321) in unserer westlichen Welt gewohnt sind, hinter sich und befassen sich mit der nordischen Mythologie. Das nordische Äquivalent zu unserem Weltbild der Hölle lautet Helheim, wo es die Protagonistin Senua hinverschlagen sollte.

Helheim, Reich der Toten

Helheim zählt zu den neun Welten der nordischen Mythologie. Die Gebieterin des Reiches der Toten wird von Hel, der Göttin, regiert. Wer hier einmal gelandet ist, kann nie wieder aus dieser Welt entkommen, da der allumfassende Fluss namens Gjöll ganz Helheim umschließt.

Helheim ist das Pendant zu Valhall, denn hier kommen nur die Menschen hin, die zu ihrer Lebzeit keine Heldentat vollbringen konnten. Und hier kommt Senua ins Spiel, die sich aus eigenen Stücken aufmacht, das Reich der Toten zu betreten. Ein magisches Setting ist geboren, das durch die Vorstellungkraft und die zauberhafte Umsetzung seitens Ninja Theorie in atemberaubenden Level-Strukturen und Gebilden mündet.

Mythologisches Setting

Beim Setting spaltet sich die Spielerschaft womöglich in zwei Lager: Zum einen gibt es hier die Spieler, welche die nordische Mythologie kennen und mit allen Einzelheiten vertraut sind. Für diese Art von Spieler dürfte es einen "Aha"-Effekt geben, da vieles vertraut erscheint und nur zusätzlich mit eigenen Interpretationen seitens der Entwickler versehen wurde. Auf der anderen Seite gibt es die Spieler, die nicht in der nordischen Mythologie bewandert sind und Odin und Loki womöglich schlicht aus dem Marvel Cinematic Universe kennen dürften. Diese Spieler erhielten hier jedoch umfangreiche Hintergrundinformationen.

So oder so handelt es sich um eine abwechslungsreiche Materie, die über diverse Gameplay-Elemente an Fahrt gewinnt. Während des Spielens stoßt ihr immer wieder auf kryptische Säulen, die bei Aktivierung verschiedene Geschichten über die Heldentaten diverser Figuren aus der Mythologie bereithalten. Oftmals spielen diese Geschichten für den Spieler sogar eine direkte Rolle, da er hier auf kommende Ereignisse vorbereitet wird und so beispielsweise von einem möglichen Feind erfährt.

Senuas Opfer

Doch das Setting, die Hintergrundinfos, die Gameplay-Elemente und all das Drumherum wären nichts ohne eine geeignete Hauptfigur. Die Mannen von Ninja Theory haben sich hier für Senua entschieden, eine verletzlich wirkende Gestalt, die von der ersten Minute an einen Weg einschlägt, der ihr alles abverlangen wird. Senua ist keine typische Heldin, denn Senuas Opfer könnte größer nicht sein. Der Weg nach Helheim ist ein Weg ohne Wiederkehr. Sie ist sich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst. Bereits nach wenigen Minuten Spielzeit wird klar, dass sie jedoch ein klares Motiv hat. Es gilt einen geliebten Menschen aus den tiefen und schrecklichen Landen von Helheim zu befreien. Einen toten Menschen aus der Hölle befreien? Keine leichte Aufgabe.

Psychose als Stilmittel

Bereits beim Start des Spiels wird darauf hingewiesen, dass die psychische Erkrankung Senuas mit Psychologen erarbeitet wurde. Gezeigte Psychosen sind demnach keineswegs willkürlich gewählt, um den Spieler zu verwirren oder das Gameplay zu erschweren. Sie wurden als bewusstes Stilmittel gewählt, um dem Spieler ein einzigartiges Gefühl mit auf den Weg zu geben. Im buchstäblichen Sinne, denn Senuas Weg ist mit Stimmen in ihrem Kopf versehen. Ihr werdet kaum ein paar Meter gehen, ohne dass ihr zur linken oder rechten Kopfhälfte Stimmen vernehmt. Dieses Gameplay-Element ist neuartig und entfaltet schon nach kurzer Zeit seine Wirkung.

Als wäre die Soundkulisse und Atmosphäre des Spiels nicht schon dicht genug, sehen wir uns nun ständig mit unserem inneren Selbst konfrontiert. Verschiedenste Gedanken schießen uns dabei durch den Kopf. Oder flüstert sie jemand in unsere Ohren? Um solch ein Krankheitsbild in einem Spiel zu verbauen, braucht es auf der einen Seite viel Mut und auf der anderen Seite selbstredend viel Respekt vor der Krankheit selbst und den an ihr Leidenden. Doch dies ist ein Punkt, der für die Entwickler spricht, denn sie haben hier die nötige Mitte gefunden.

Atmosphärische Inszenierung

Die Atmosphäre sucht jedoch nicht nur wegen der Psychose ihresgleichen. Die Dichte im Level-Design, die kreativen Elemente, die auf einer eigenen Interpretation dieser nordischen Mythologie beruhen und die visuelle Effekte sind eine Sparte. Diese wird perfekt um die audiotechnische Kulisse ergänzt. Die Stimmen im Kopf, verschiedene Erzähler und musikalischen Einlagen sind perfekt abgestimmt.

Dabei spielen gleichermaßen die musikalische Untermalung eine Rolle, die nordische Töne á la Wikinger-Gesänge im Kampf erklingen lassen oder in ruhiger Form an Atmosphäre aufbaut, als auch die reinen Soundeffekte. Dabei ist es egal, ob es in tiefe Höhlen geht oder weite Flächen aufgezeigt werden möchten, das Sound-Design steht den visuellen Reizen in nichts nach.

Gameplay und Kampfsystem

Zu weiten Teilen bekommt der Spieler das Gefühl, dass es sich um ein Third-Person-Exploration-Game handelt, da ihr mit Senua lediglich die lineare Gegend erkundet oder das eine oder andere Puzzlestück lösen müsst.

Die Illusionsrätsel machen Spaß, bei denen ihr durch Spiegelgänge hindurchschreitet, da sie perfekt in das Setting zu passen scheinen. Ferner gibt es Kletterpassagen oder Rätsel, bei denen ihr bestimmte Runen auffinden müsst. Dies ist alles relativ einfach gehalten. Dabei ist weniger manchmal mehr, denn viel mehr braucht es an dieser Stelle auch gar nicht.

Ihr seid in den ca. zehn Stunden Spielzeit so sehr mit eurer Figur, der Umgebung und den Stimmen in eurem Kopf beschäftigt, dass hier Gameplay-Elemente wie beispielsweise das Einsammeln von Gegenständen (Looten) und andere überflüssige Beschäftigungen nur als störend empfunden werden könnten. Auch hier scheint alles seitens der Entwickler genau durchdacht zu sein.

Doch an nötiger Action soll es den Spielern auch nicht mangeln: So ist Senua zu unserer Verwunderung eine voll ausgebildete Kriegerin, die so manche Tricks auf Lager hat. Dabei kämpft sie in unregelmäßigen Abständen gegen die physische Karnation der Dunkelheit.

Der Gegnertypus ist variabel und wartet mit unterschiedlichen Angriffen und Blockmomenten auf euch. Doch hier ist auch Vorsicht geboten. Während des Spielverlaufs bekommt ihr eine Nachricht, dass Senua nicht zu oft sterben darf. So solltet ihr auch im Kampf gut auf sie aufpassen. Dabei ist das Kampfsystem schnell erlernt, wenn man vorerst die Grundmechaniken und die Steuerung verstanden hat. Es warten sogar Bosskämpfe auf euch, die es in sich haben. Auch wenn der Fokus im Spiel auf narrative Elemente und der dynamischen Figur Senua liegt, greift hier insbesondere die musikalische Komponente wundervoll ineinander. Die Macher bei Ninja Theory verstehen offensichtlich ihr Handwerk.

Senua's Motive und Konstellationen

Auch wenn es nicht viele menschliche Figuren in Hellblade: Senua's Sacrifice zu sehen gibt, sind die wenigen Personen ausreichend, um der Heldin das nötige Leben einzuhauchen. Oftmals geschieht dies jedoch nur über Erscheinungen. Dabei sticht Dillion hervor, der maßgeblich für ihr heutiges Dasein verantwortlich ist. Das wird dahingehend wichtig, wenn sie über diverse Rückblicke oder Erscheinungen erzählen möchten, was zur heutigen Situation der verletztlichen Kriegerin beigetragen hat. In einigen Passagen bekommen wir es mit Rückblicken zu tun, während wir zu Teilen in Helheim auf wahrhaftige Erinnerungen stoßen, die allesamt ein großes Ganzes ergeben.

Am Ende ist für den Spieler wichtig, ob das Leid der jungen Frau nachvollziehbar sein wird. Senua durch ihre finstersten Momente zu begleiten, wie in etwa sich der wahrhaftigen Dunkelheit zu stellen, indem alles vom Spieler abverlangt wird, dürfte am Ende sein Übriges tun.

Das ist auch der Grund, wieso wir noch lange über Senua und ihre Reise durch Helheim nachdenken werden. Wir konnten diese emotionale Reise nachempfinden, da wir sie gemeinsam mit ihr durchlebt haben. In ihrem Kopf, in den Kämpfen und in ihrem Herzen gilt es eine gemeinsame Talfahrt durchzustehen, die wahrlich nicht einfach zu bewältigen ist.

Ausreichende Pausen

Diverse Stilelemente trugen dazu bei, dass wir als Spieler ausreichend Pausen einlegen mussten. Nach mehrstündiger emotionaler Reise und den Stimmen, die wahrlich nicht mehr aus dem Kopf gehen möchten, sind wir als Spieler sichtlich geschafft von den Anstrengungen. Deshalb empfehlen wir den Titel nicht ohne einen Kopfhörer zu spielen, da wichtige Kernelemente sonst an drastischer Wirkung verlieren. Insgesamt jedoch empfiehlt es sich bei den meisten Spielen Pausen einzulegen, weshalb wir bis zum Ende gespannt waren, wie die Geschichte rund um Senua und die Menschen in ihrem Umfeld auszugehen vermochte.

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Hellblade: Senua’s Sacrifice im Test

Fazit und Wertung von Ben Brüninghaus

Hellblade: Senua's Sacrifice ist wahrlich nichts für schwache Nerven. Obgleich ich zu keiner Zeit annahm, dass es sich hierbei um ein Horrorspiel handeln würde, beschleicht einen als Spieler schnell das Gefühl, dass es sich gut und gerne um einen Psycho-Horror-Thriller handeln könnte, wenn man die düsteren Gefilde von Helheim erkundet. Zum Teil wird die manifestierte Dunkelheit sehr gut eingefangen. Insbesondere die Schleichpassagen, in denen wir auf einzelne Sinne beschränkt werden, sind außerordentlich gut in Szene gesetzt. Der Titel zählt meines Erachtens ganz klar als Geheimtipp für alle Spieler, die den gewohnten Einheitsbrei nicht mehr sehen können. Hellblade macht vieles anders, wo es sich auf der anderen Seite auf minimalistische Gameplay-Elemente beschränkt. Hier kann man sagen, dass weniger manchmal mehr ist.

Die mythischen Einlagen rund um Helheim und die nordischen Götter haben mir sehr gut gefallen, da die Informationen wie einzelne Puzzlestücke mit dem eigenen Wissen ineinander verschmelzen – einiges kennt man, einiges erschließt sich neu aus dem Kontext. Das Setting ist erfrischend abwechslungsreich und bietet einen besonderen Reiz.

Schließlich bleibt zu erwähnen, dass die Entwickler mit Senua eine Figur geschaffen haben, die uns noch lange im Gedächtnis bleibt. So steht sie doch als Sinnbild für handelnde Menschlichkeit, denn ihr Leidensweg hat selbstredend ein menschliches Motiv.

Der Titel ist einmal mehr der Beweis, dass Entwickler andere Wege einschlagen können und dies bei Spielern Anklang findet. Dazu zählen kleinere Spielereien, wie der gekonnte Wechsel von Third-Person zur First-Person in Cutscenes, um den Spieler zum direkten Ansprechpartner für Senua werden zu lassen, oder die allgegenwärtige Psychose, die mit adäquatem Respekt behandelt wird. Ich würde mir wünschen, dass sich andere Entwickler in dieser Hinsicht an Ninja Theory ein Beispiel nehmen. Das Spiel könnte nachhaltig Auswirkungen auf andere Spiele haben. 

Pro

+Mythologisches Setting mit eigener Interpretation
+Hauptfigur Senua ist keine klassische Heldin
+Musikalische Untermalung
+Soundkulisse
+Gameplay-Mechaniken und Stilelemente (z.B. Psychose)
+Perfekte Spielzeit

Contra

-Anstrengende Gameplay-Mechaniken (Pausen nötig)
-Zu simple Rätsel
Hauptberuflicher Jedi-Meister, nebenbeschäftigt bei PlayCentral.de. Popkultur-Fetischist: Star Trek, Star Wars, alles mit „Star“, verspeist Spiele-OSTs zum Frühstück, Großmeister der Bärenschule. Inquisitor. Mag das Ende von Mass Effect.
Hellblade: Senua’s Sacrifice Action-Adventure PC, PS4, Xbox One, Nintendo Switch
PUBLISHER Ninja Theory
ENTWICKLER Ninja Theory
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