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Outriders: Ruhelose Loot-Shooter-Action der Bulletstorm-Macher – TEST

Von Benjamin Braun - Test vom 06.04.2021 16:46 Uhr
Outriders Test
© Square Enix/People Can Fly

Das polnische Entwicklerstudio People Can Fly ist seit jeher für seine brachialen Actionspiele bekannt. Besonders in ihren komplett selbst konzipierten Games, dem oldschooligen Ego-Shooter „Painkiller“ (2004) und dem überdrehten „Bulletstorm“ (2011), ist Stillstand ein absolutes Fremdwort. Wer rastet, der rostet zwar nicht, aber wer stehen bleibt, verliert.

Das gilt ganz besonders für das neueste Werk des zwischenzeitlichen Tochterunternehmens von Epic Games, denn in Outriders erlangt ihr verlorene Trefferpunkte nur durch ausgeteilten Schaden zurück. Das ist jedoch nur eine von vielen Besonderheiten des Spiels, in dem People Can Fly Third-Person-Action mit mächtigen, magieähnlichen Klassenfähigkeiten, üppiger Loot-Shooter-Mechanik und Online-Koop-Funktion verknüpft. In unserem Test erfahrt ihr, weshalb wir auch im Solomodus viel Spaß auf dem fremden Planeten Enoch hatten, mit „Outriders“ aber dennoch nicht restlos glücklich sind.

© Square Enix/People Can Fly

Als Veränderter in einer fremden Welt

Obgleich die Action in „Outriders“ klar im Zentrum steht, beginnt das Abenteuer vergleichsweise gemächlich und überrascht mit seinem ausgeprägten Hang zum Storytelling. Denn in der ersten Stunde lasst ihr nur kurz mal die Waffen sprechen und verfolgt nicht nur gefühlt mehr Zwischensequenzen als selbst aktiv zu werden. Rollenspielähnlich führt ihr mit verschiedenen NPCs Multiple-Choice-Dialoge, um auf Wunsch mehr über deren Hintergründe zu erfahren – ein Feature, das auch in späteren Lagern und Dörfern nicht verlorengeht.

In seltenen Fällen gibt es sogar Entscheidungsoptionen, die allerdings keinen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf der Handlung, das Angebot an Nebenmissionen und leider auch nicht wirklich auf die Beziehung zu anderen Charakteren nehmen. Letztere bleiben bis zum Schluss klischeehaft und blass, was aufgrund der vielen, recht aufwändig inszenierten Cutscenes und besonders der guten bis sehr guten deutschen und englischen Sprecher stark nach vergeudetem Entwicklungs-Budget riecht.

Ihr selbst seid jedenfalls Teil einer Kolonisierungsinitiative der Menschheit, die die inzwischen zerstörte Erde verlassen hat, um auf dem fernen Planeten Enoch eine neue Heimat zu finden. Allzu viel ist über den Himmelskörper nicht bekannt, weshalb ihr gemeinsam mit einer kleinen Vorhut der namensgebenden Outrider als erste auf der Oberfläche landet. Alles scheint soweit in Ordnung zu sein, bis ihr plötzlich in einen rätselhaften Energiesturm geratet, dem die meisten der Outrider zum Opfer fallen.

© Square Enix/People Can Fly

Schwer verletzt werdet ihr erneut in einen Cryoschlaf versetzt und erwacht weitere 31 Jahre später. Zwischen den mittlerweile gelandeten Kolonisten tobt ähnlich wie zuvor auf der Erde ein Krieg um die knappen Ressourcen und ihr geratet direkt zwischen die Fronten. Mitten in einem der eigentlich tödlichen Energiestürme zum Sterben abgeladen, bekommt ihr jedoch eine unerwartete neue Chance. Denn anstatt euch zu töten, macht euch der Sturm zu einem sogenannten Veränderten, was euch Zugriff auf übernatürliche Kräfte gibt.

Magische Metzelorgie

In diesem zweiten Sturm, den ihr nach rund einer Stunde erreichen werdet, müsst ihr euch für eine der vier verfügbaren Klassen entscheiden. Die entsprechen aber nur grob den klassischen Rollen aus MMORPGs. Ein guter Mix gewährt im Koop-Betrieb mit bis zu zwei Mitspielern zwar gewisse Vorteile, allerdings ist eine gut durchmischte Party in „Outriders“ nicht so kriegsentscheidend wie etwa in vielen Online-Rollenspielen oder Helden-Shootern wie „Overwatch“.

In „Outriders“ verfügen letztlich alle über eine vergleichbar hohe Angriffskraft, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass ihr das komplette Spiel allein angehen könnt. Im Spiel könnt ihr euch also getrost frei Schnauze beispielsweise für den am ehesten einem Tank entsprechenden Verwüster entscheiden. Dieser ist für den Kampf auf kurze Distanz ausgelegt, teilt etwa mit einem Meteor-Groundsmash mächtig aus und kann tendenziell mehr einstecken als die übrigen drei Klassen. Der Technomant ist eine Art Healer, der primär auf höhere Distanz kämpft und seine Mitstreiter mit Gadget-artigen Skills unterstützt.

© Square Enix/People Can Fly

Assassine und Pyromant wiederum entsprechen grob einem Damage Dealer. Erster kann sich in den Rücken von Gegnern teleportieren und überfallartig mit magieähnlichen Klingenattacken angreifen. Zweiterer kann Feinde in Flammen setzen, sie mit einem Ascheeffekt kurzzeitig quasi versteinern oder später sogar eine Lavafontäne aus dem Boden aufsteigen lassen. Diese Effekte sehen nicht nur spektakulär aus, ihr nehmt eure Feinde damit auch teils regelrecht auseinander. Mit Flammen brennen Gegner vor euren Augen bis auf die Knochen nieder, vom Ascheeffekte betroffene Widersacher detonieren regelrecht unter Beschuss. Der Grad der Gewaltdarstellung ist jedoch, auch da sich praktisch alle Gegner schließlich im Nichts auflösen, also meist keine Körperteile oder Knochen liegenbleiben, für People-Can-Fly-Verhältnisse eher moderat. Die 18er-Freigabe in Deutschland verdient sich „Outriders“ aber dennoch redlich.

All die genannten sowie etliche weitere Fähigkeiten schaltet ihr automatisch über Stufenaufstiege frei und erhaltet die letzte auf Charakterstufe 22, also auf dem direkten Pfad durch die Hauptmissionen erst kurz vor dem Abschluss der Kampagne. Maximal drei der Skills dürft ihr parallel aktiv mit in die Schlacht nehmen, wobei ihr auf eine ausgewogene Mischung achten solltet. Eine der Fähigkeiten des Pyromanten ermöglicht auf mittlere Distanz beispielsweise eine Art Lebensentzug beim Gegner, die uns in den Kämpfen oft aus einer bedrohlichen Lage gerettet haben.

© Square Enix/People Can Fly

Ein anderer, flächigerer Skill ermöglicht es wiederum, Gegner kurzzeitig durch den genannten Ascheeffekt „einzufrieren“. Gerade bei den starken, nur im Nahkampf aktiven Feindtypen, könnt ihr euch so größere Gruppen vom Hals halten, ohne Gegenwehr draufballern oder womöglich auch nur die Gelegenheit nutzen, um etwas Distanz zu gewinnen. Klar ist jedenfalls, dass ihr in „Outriders“ mitten im Gefecht wenig Zeit zum Nachdenken habt. In diesem Spiel müsst ihr handeln oder sterbt.

Höchst agil trotz Deckungsmechanik

Die größte Besonderheit der Kämpfe in „Outriders“ besteht darin, dass es weder Health Packs noch eine Auto-Heal-Funktion gibt wie etwa im ebenfalls von People Can Fly entwickelten „Gears of War: Judgment“. Stattdessen regeneriert ihr Trefferpunkte, unabhängig von der gewählten Klasse, ausschließlich durch den von euch ausgeteilten Schaden mit Waffen und Fähigkeiten. Gerade auch, da die Gegner sehr ordentlich austeilen und zudem in Scharen auftreten, steht ihr also ständig unter Zugzwang.

Es gibt zwar Deckungen im Spiel, die euch effektiv vor Beschuss schützen, so lange ihr dahinter verharrt. Allerdings preschen Nahkampfgegner schnell vor und können euch bei bereits reduziertem Trefferpunkt-Vorrat oft mit nur einem Hieb den Rest geben. Zudem bestehen viele Deckungen lediglich aus zerstörbaren Materialien, bieten also nur zeitweise Schutz. Zielgenau landen zudem Handgranaten in eurer Deckung, die euch zwingen, in Bewegung zu bleiben. Einige Elite-Gegner verfügen zudem über ähnliche Fähigkeiten wie ihr und decken teils größere Bereiche mit rasch tödlichem Artilleriefeuer ein.

© Square Enix/People Can Fly

Dadurch spielt sich „Outriders“ automatisch besonders dynamisch, da ihr selten mal längere Zeit an einem Ort verharren und euch auch nach hinten nur manchmal ein Stückchen zurückziehen könnt. Zudem funktionieren die meisten eurer Klassenfähigkeiten nur auf kurze oder mittlere Entfernung. Umgekehrt ist auch das Vorpreschen ins Getümmel keine Option, da ihr umringt von Feinden innerhalb von Sekunden aus den Latschen kippt. Bisweilen übertreibt People Can Fly es aber mit den Feindmassen. Diese spawnen quasi immer in Wellen, deren Auslösung teils von der Anzahl der bereits besiegten Gegner und teils vom Punkt, bis zu dem ihr vorrückt seid, abhängt.

Es ist jedoch oft vom Zufall abhängig, ob ein Elite-Gegner sich zunächst längere Zeit im Hintergrund hält, wo er euch kaum gefährlich werden kann, oder mit anderen stärkeren Gegnern quasi gemeinsam vorrückt. In exakt demselben Spielabschnitt werdet ihr also womöglich vor eine unlösbare Aufgabe gestellt oder kommt mehr oder weniger hürdenlos voran. Das ist jedoch nicht der einzige Grund, weshalb der Schwierigkeitsgrad durchgehend immer wieder massiv schwankt und zu einem Dauerärgernis wird.

So hängt es auch stark vom Layout des Areals ab, wie schwierig der dort stattfindende Kampf ist. Abhängig davon kommt es also bis zum Schluss immer wieder zu Schlachten, die gefühlt viel zu reibungslos verlaufen oder eben bisweilen frustig schwer sind. Manche Gebiete sind recht breit angelegt, weshalb euch die Gegner zumindest im Solospiel zu leicht in die Zange nehmen können.

© Square Enix/People Can Fly

Da ihr selbst viel in Bewegung bleibt und gleichzeitig Gegner bekämpft, kommt es gerade in den breitflächigeren Zonen oft dazu, dass plötzlich Feinde hinter euch stehen und bereits munter auf euch einschlagen oder schießen, bevor ihr sie hinter euch bemerkt. Das passiert natürlich besonders dort, wo Feinde aus allen Richtungen attackieren können. Es kommt an manchen Orten, wo hinter uns spawnende Gegner logisch nicht nachvollziehbar sind, aber ebenfalls immer wieder zu solchen Gemeinheiten.

Diese Tode allein sind allerdings nicht das Problem – eher schon das Weltenstufensystem, auf das wir später noch genauer eingehen. Zum einen, da die gleichsam flotten wie wuchtigen Kämpfe auch aufgrund der vielfältigen Waffen von der Maschinenpistole bis zum Scharfschützengewehr Spaß machen. Zum anderen verliert ihr die bis dahin durch Kills erzielte Erfahrungspunkte nicht.

Wenn ihr also mehrfach in einem der Kampfbereiche scheitern solltet, erfolgt vor dem nächsten Versuch womöglich ein Stufenaufstieg, der eure Chancen durch einen neu freigeschalteten Skill oder einfach durch die leichte Erhöhung von Fähigkeitenschaden oder maximalen Trefferpunkten entscheidend erhöht. Dank der häufig zwischendrin freigeschalteten Schnellreisepunkte könnt ihr euch zudem immer ins Lager für Waffen- und andere Aufwertungen zurückziehen oder euch zunächst einer der zahlreichen Nebenquests widmen, um weitere XP und vor allem Loot zu sammeln.

Kleinteiliges Lootsystem

Die Stärke eures Helden oder eurer Heldin hängt in „Outriders“ in erster Linie von eurer Ausrüstung ab. Es sind also gar nicht so sehr die Spezialfähigkeiten oder die Perks, die ihr im Skilltree etwa für mehr Schaden, geringe Cooldownzeiten und Ähnliches investiert. Ihr seid vollkommen frei darin, welche Waffentypen ihr mitführt, wobei ihr für manche Schießprügel nur einen regelrecht witzlos kleinen Munitionsvorrat mitführen dürft.

© Square Enix/People Can Fly

Wie gut oder schlecht die bei Gegnern und in Beutetruhen gefundenen Wummen oder Rüstungsteile sind, hängt, wie in Loot-Shootern üblich, auch stark vom Zufall ab. Ihr findet also nicht immer automatisch besseres Zeug, aber häufiger als etwa in „The Division 2“ brauchbare Alternativen, also nicht so oft niedrigstufigen Müll, der bloß euer (in „Outriders“ jedoch ohnehin wesentlich üppigeres, womöglich sogar unbegrenztes) Inventar überfrachtet.

Die Qualität der Beute hängt aber vor allem von eurer Charakterstufe und dem gewählten Schwierigkeitsgrad ab. In „Outriders“ gibt es gleich 15 Schwierigkeitsstufen (sogenannte Weltenstufen), die ihr allerdings, so ähnlich wie Levelups, nur nach und nach freischalten könnt. Ihr müsst also immer in der aktuell höchsten Weltstufe weiterspielen, um die nächsthöhere erreichen zu können. Die allermeisten werden mittel- bis langfristig den Plan, immer auf der höchstmöglichen Weltstufe zu bleiben, wohl wie wir irgendwann aufgeben. Wir hatten bei Weltstufe 7 endgültig die Schnauze voll, da wir regelmäßig Kämpfe fünfmal und öfter erneut ausfechten mussten, um weiterzukommen.

© Square Enix/People Can Fly

Für Profis und Intensivspieler mag dieser Punkt in „Outriders“ jedoch erst später kommen. Denn alle Nebenmissionen, die sich letztlich alle genauso spielen, auch wenn ihr darin Jagd auf spezielle mutierte Monster, andere Veränderte oder auch nur nach Andenken an die alte Erde sucht, hatten wir nicht gemacht und entsprechend weniger stark aufgelevelt. Zudem habt ihr im Detail etliche Optionen, eure Ausrüstung aufzuwerten, um Vorteile im Kampf freizuschalten. Die Bandbreite fällt allerdings recht kleinteilig aus. Ihr könnt, wenn ihr die jeweils dafür notwendigen Ressourcen besitzt, in verschiedenen Kategorien Aufwertungen erzielen.

Abhängig von eurer aktuellen Charakterstufe (und bestimmten Ressourcen) könnt ihr die Stufe einer Waffe, eines Helms oder der Schuhe erhöhen, was entsprechend den maximalen Schaden oder Schutzwert verbessert. Ihr dürft auch die Seltenheit des Objekts zur Aufwertung steigern oder die Attribute steigern, also zum Beispiel den Bonuswert auf die maximalen Trefferpunkte, die Wahrscheinlichkeit, kritische Treffer zu erzielen, oder den im Spiel so zentralen Lebensentzug bei Treffern erhöhen.

© Square Enix/People Can Fly

Die wichtigste Funktion sind aber die Mods, die ihr nach und nach freischaltet und, wie alle anderen Verbesserungen, bei einem eurer Gefolgsleute anbringen oder ändern könnt. Die beeinflussen meist eure Skills, erhöhen etwa Wirkungsdauer oder Schaden des Ascheeffekts des Pyromanten oder schalten andere Boni frei, sodass ein Effekt etwa auf den nächststehenden Feind automatisch übergreift.

Das ist definitiv ein großer Spielplatz, der zum Experimentieren einlädt. Allerdings sind die Auswirkungen eben doch nur in der Summe leicht spürbar. Wer also wirklich nennenswerte Vorteile daraus ziehen möchte, muss sich schon recht intensiv damit auseinandersetzen und viel Zeit in den nicht gerade spannenden Menüs verbringen. Aber das ist gewiss auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Uns wäre ein weniger kleinteiliges System mit deutlich spürbareren
Auswirkungen auf die Kampfkraft lieber gewesen.

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Wortkarger Lange-Texte-Schreiber. FC-Fan und Piranha-Bytes-Vergötterer. Heizt mit Spielekonsolen statt mit Gas. Könnte täglich Pizza futtern, hat aber nie mehr als fünf Tage am Stück geschafft.
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