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Internet: Warum auch ein YouTuber #Freiheit leben kann

Von Christian Liebert - Kolumne vom 22.12.2014 13:19 Uhr

Der „Fall Ungespielt“ polarisiert die Netzwelt. Während einige Fans und Zuschauer von Unge empört gegen Mediakraft hetzen, sehen andere nur einen Zwergenaufstand. Ist Simon im Recht oder hatte er einfach nur seinen Vertrag nicht richtig gelesen? Die Meinungen dazu gehen meilenweit auseinander. Fest steht aber, dass #Freiheit gerade auf Twitter dominiert und unzählige Fragen aufbringt. Fragen nach der Aufgabe und der Bedeutung von Netzwerken, nach der Richtigkeit eines Vertrages und letztendlich auch, ob ein YouTuber groß genug ist, um den Hashtag #Freiheit für sich zu beanspruchen.

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Vergangenen Samstagabend stand die Welt still: In einem emotionalen Video trennte sich Ungespielt, einer der bekanntesten deutschen YouTuber, von seinen zwei Kanälen. Beide Kanäle generieren monatlich zusammen über 30 Millionen Aufrufe, doch beide sind auch beim Multi-Channel-Netzwerk (MCN) Mediakraft unter Vertrag. Und eben genau das passt Simon, wie Unge mit Vornamen heißt, nicht mehr. Warum das so ist, erklärt er in knapp 12 Minuten. Kurzum hat er keine Lust mehr auf den „Scheißhaufen“, begründet dies mit fehlendem Support, Unterschlagung von Einnahmen und mit der angeblich von Mediakraft ausgesprochenen Drohung, ihn bei rechtlichen Schritten in die „Privatinsolvenz“ zu treiben. Unter dem Hashtag #Freiheit macht er seinem Unmut Luft und löst damit eine wahre Welle der Empörung aus.

Über eine Million Abrufe hat besagtes Video in weniger als 12 Stunden gesammelt, viele bekannte YouTuber sprechen ihm ihre Solidarität zu und Zuschauer laufen Amok. Satte 700 Tweets schafft der Schlachtruf „Freiheit“ pro Minute und zwingt Mediakraft sogar dazu, einige Webpräsenzen für kurze Zeit offline zu nehmen. Ein Statement des MCNs folgte Sonntagnachmittag. In geschäftsmäßigem Ton distanziert sich Netzwerk-Chef Spartacus Olsson von vielen Vorwürfen und pocht auf ein „gütliches Ende“ des Streits. Auch dieser Beitrag wird mit Hasspostings der Fans überschwemmt und ihre Forderung ist klar: Weg mit dem Vertrag, #Freiheit für Ungespielt.

Die Emotionen brodeln und differenzierte Diskussionen sind an diesem Wochenende wohl nicht mehr möglich. Es ist ein Shitstorm, wie ihn YouTube noch nie erlebt hat. Doch nicht jeder in der Netzwelt geht konform mit #Freiheit. Gerade unter Fachleuten wird Unges Verhalten scharf kritisiert. Der Vertrag, also die Bindung an Mediakraft, die Auslöser für die Empörung ist, fällt Simon bei diesen Meinungen in den Rücken. Lapidar tut man seine Wut mit der Naivität ab, einfach seinen Vertrag nicht richtig gelesen und sich blauäugig bei dem MCN verpflichtet zu haben.

Ganz von der Hand zu weisen ist diese Kritik nicht, denn viele Restriktionen geschahen so auf Ungespielts Zustimmung hin. Ein Vertrag ist und bleibt ein Vertrag. Dass es bei der Zusammenarbeit aber sicher auch Vorfälle gab, die man von außen schwer überblicken oder gar einschätzen kann, ist aber genauso Tatsache. Fakt ist, dass viele erfolgreiche YouTuber noch jung, nicht selten sogar unter 20, sind und sich von vollmundigen Versprechungen verführen lassen. Die Akquirierung bei Mediakraft erledigen Profis, die genau wissen, auf welche Knöpfe sie drücken müssen, um den Beitritt schmackhaft zu machen. Das böse Erwachen kommt dann oft zu spät, ebenso wie die Erkenntnis, dass die Laufzeit des Vertrages noch verdammt lange geht.

Habt ihr schon mal versucht einen Handy-Vertrag vorab zu kündigen? Das ist so gut wie unmöglich, außer man schafft es, dem Anbieter einen groben Vertragsbruch nachzuweisen. Auf YouTube läuft das nicht anders. Viele Netzwerke dienen dem Zweck, teuer verkauft zu werden. Das ist ein Trend aus den USA und Britannien, der gerade in Deutschland anläuft. Auch Mediakrafts Bestreben sei es, so Unge, „aufgepumpt“ zu werden und den Firmenwert in die Höhe zu treiben. In Amerika zahlen Verlagshäuser und Medienunternehmen dreistellige Millionenbeträge für ein profitables Netzwerk. Um groß zu werden, braucht es starke YouTuber. Kanäle wie Ungespielt oder Ungefilmt eben. Die gibt ein Netzwerk natürlich nicht gerne auf und auch Mediakraft ist sicherlich bereit, für den Erhalt des Vertrages bis in die letzte rechtliche Instanz zu gehen. So funktioniert leider das Geschäft mit dem großen Geld. Ein Kreislauf, dem sich auch Videokünstler nicht komplett entziehen können.

Ungespielt hat in seinem Kampf gegen Mediakraft die für das MCN wohl fatalste Karte ausgespielt: Er ist an die Öffentlichkeit gegangen, hat seinen Unmut nach außen getragen und damit auch am Image von Deutschlands größtem Netzwerk gekratzt. David erschlägt Goliath, aber nicht mit einem Stein, sondern mit dem vornehmsten Recht eines YouTubers: Dem Recht, sich seinen Zuschauern mitzuteilen. Der daraus entstandene Flächenbrand ist für Mediakraft kaum noch zu löschen.

Möchte er das MCN damit nun brennen sehen? Dieser Eindruck entstand schnell und sorgte, typisch für einen Shitstorm, auch für sehr überzogene Kommentare gegen das Netzwerk, seine Mitarbeiter und Partner. Gerade Christoph Krachten, der nach außen oft als Gesicht von Mediakraft gilt, wurde hart in Mitleidenschaft gezogen, teilweise sogar mit Mordandrohungen. Von diesem Verhalten distanziert sich Ungespielt in einem heute veröffentlichten Podcast und bittet betreffende Nutzer, eine Entschuldigung zu posten. Dabei betont er, dass es „keinen Krieg für den Frieden“ gibt.

Letztendlich ist Unge es, der am längeren Hebel sitzt und die Sympathie auf seine Seite holt. Mediakraft hat zwar die Rechte an seinen Kanälen, aber nicht an seiner Person. In der Community mutiert #Freiheit zu einer Art Symbolfigur, die an den aktuellen Kinostreifen „Mockingjay“ erinnert. Er zeigt, wie sich jemand gegen die profitorientierte Moral eines Konzerns hinwegsetzt und lieber seine Kanäle aufgibt, als sich weiter zu beugen. Das schafft schon viel Ehrfurcht, auch wenn Simons Karriere natürlich weiter sicher scheint, da sein neuer Kanal binnen eines Tages, bedingt durch die massive Promo, viele Stammzuschauer rüberholen und knapp 500.000 Abonnenten erreichen konnte.

Aber auch hier gibt es Kritik: Ist Ungespielt überhaupt berechtigt, einen so großen Hashtag für sich zu beanspruchen? Vor allem der Nicht-YouTube-Teil der Netzwelt bemängelt die Relevanz der Sache, in Bezug auf das mächtige Wort „Freiheit“. Die Antwort darauf ist recht leicht: Ob er das darf, ist wohl keine Frage, die im Internet Bestand hat. Prinzipiell kann ja jeder User unter einem beliebigen Hashtag twittern. So funktioniert das Internet: Jeder ist gleich im Sinne der Netzneutralität. Sicherlich mag es Leuten albern vorkommen, wenn sie keinen Bezug zu der Sache haben. Gleiches gilt auch für den Tod von Udo Jürgens, der gestern bekannt wurde: Die einen verfallen in Trauer, während andere dies nur unberührt zur Kenntnis nehmen. Im Web kommen verschiedenste Interessen zusammen und ein Vorrecht auf ein Schlagwort hat niemand. Das wäre auch ziemlicher Blödsinn.

Unge selbst bezeichnet die Kraft von #Freiheit als Eigendynamik und hätte selbst nicht mit dem Erfolg des Hashtags gerechnet, den er, laut eigener Aussage, „einfach so“ verwendet hat. Auch hier bittet er seine Fans, diesen nicht mehr so stark zu benutzen. Teilweise nahmen sich sogar TV-Sender wie ProSieben oder ZDF dem Schlachtruf an. Dass gerade in diesen Graden Sympathie oft ein Schritt auf dem Weg für zukünftige Zusammenarbeiten ist, sollte Simon zur Vorsicht mahnen, den gleichen Fehler nicht zu wiederholen. Das Interesse an seiner Person, an der Power seiner Reichweite, dürfte enorm sein. Sicherlich schmieden andere MCNs bereits Pläne ihn anzuwerben.

Die wohl wichtigste Frage, die sich die Medienwelt nach diesem Vorfall stellen muss: Wie müssen sich die Netzwerke verbessern und ist es wirklich richtig, Videokünstler so lange an sich zu binden? Viele YouTuber unterschreiben Verträge mit einer Laufzeit von drei Jahren, das ist teilweise irrsinnig. Wer weiß schon, wie lange er sein Programm so durchziehen kann und ob es das wirklich wert ist, die Rechte an seinen Kanälen umfangreich abzutreten? #Freiheit sorgte für einen Ruck bei den MCNs, nicht nur bei Mediakraft. In Zukunft wird es viel wichtiger, sich mehr den Interessen seiner Partner zu widmen, anstatt den Bilanzgewinn zu polieren.

Ein YouTuber kann auch ohne sein Netzwerk erfolgreich sein, aber das Netzwerk nicht ohne seine YouTuber. Der Fall Ungespielt hat dies deutlich gemacht und auf seine Art auch etwas in dieser Welt verändert. Webvideos sind gerade erst vom Hobby zum Beruf aufgestiegen, aber der Grundgedanke „Broadcast Yourself“ hat noch immer Bestand. Da müssen Multimillionenkonzerne wohl erst noch lernen, dass Persönlichkeiten eben auch von diesem Mittel Gebrauch machen und wesentlich schwerer zu kontrollieren sind. Vor allem unter Zwängen.

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